Dienstleistungsmarketing wird Lead-Disziplin
Jedes Business ist Service-Business
Marketing befindet sich im Umbruch. Neue Sichtweisen wie Relationship-Marketing oder One-to-One-Marketing geben wichtige Anstösse. Gerade im Dienstleistungsmarketing ist der Paradigmen-Wechsel von "How to make a sale" zu "How to create a customer" längst vorbereitet. Deswegen wird es zunehmend zur Lead-Disziplin des Marketings.
Publiziert in Marketing+Kommunikation 02/00
Was will Mercedes? Autos verkaufen? Leasingverträge und Werkstattleistungen absetzen? Oder das Bedürfnis nach Mobilität befriedigen und so die Beziehung zum Kunden ständig nähren und ausbauen? Es ist eine Frage der Sichtweise.
Die neue Sichtweise
Der Wechsel der Sichtweise lässt sich am einfachsten durch die Veränderung der Marketing-Grundfrage von "How to make a sale" zu "How to create a customer" umschreiben. Dahinter steht die Vision einer stets zu pflegenden und voranzubringenden Kundenbeziehung als eigentlichem Marketing-Ziel. Das ist der Kern des One-to-One- oder Relationship-Marketings. Der Begriff "Beziehung" verleitet dabei gerne zur Verniedlichung als Altruismus. Doch hinter dem Relationship-Marketing stehen ökonomische Motive: Einen neuen Kunden zu gewinnen ist doppelt bis dreissigmal teurer als einen bestehenden Kunden zu halten. Dies ist empirisch belegt.
Die Implikationen
Die neue Marketing-Sichtweise hat verschiedene Implikationen:
Unter diesen Gesichtspunkten ist es naheliegend, dass für die weitere Entwicklung des neuen Marketings die Federführung vom Produkte- an das Dienstleistungs-Marketing abgegeben wird. Denn dieses beschäftigt sich schon länger mit dem Ziel der dauerhaften Kundenbeziehung.
Die nächste Entwicklung
"Experience Economy" ist das Code-Wort für die nächste Entwicklung. Es geht nicht mehr bloss darum, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, sondern dem Kunden die Möglichkeit zu geben, eine bühnenartige Erfahrung zu erleben. Das "Aufladen", welches früher die Steigerung der Produkt-Attraktivität mittels Dienstleistungen meinte, erhält heute eine erweiterte Bedeutung: Wie bei einer Batterie wird durch die verschiedenen Kundenkontakte und Kaufakte die Beziehung mit dem Kunden immer wieder neu aufgeladen.
Fit for Services
Die Schweizerische Gesellschaft für Marketing GfM und die Universität Zürich führten im Wintersemester 1999 / 2000 unter Leitung von Professor Dr. Hans Peter Wehrli die Seminarveranstaltung "Fit for Services" durch. Unter anderen stellte Dr. Peter Weibel, CEO und Partner von PriceWaterhouseCoopers seine Sicht des "Management von Kundenbeziehungen" dar. |
Interview mit Professor Dr. Hans
Peter Wehrli, Institut für
betriebswirtschaftliche Forschung IfbF an der Universität Zürich
Marketing+Kommunikation: "Create a Customer" löst "Make a Sale" ab. Löst damit auch das Dienstleistungs-Marketing das klassische Produkte-Marketing ab? Hans Peter Wehrli: Früher ging’s um den Kaufakt allein. Doch heute ist klar, dass damit das Spiel noch lange nicht zuende ist. Was der Kunde kauft, ist sekundär. Hauptsache ist, dass die Beziehung nicht abbricht. Jedes Produkt ist erklärungsbedürftig und enthält somit eine Service-Komponente - Jedes Business ist heute Service-Business. Es geht aber weniger um ein "Entweder Produkte oder Dienstleistungen", sondern vielmehr darum, dass der Kunde aufgebaut, erhalten und ausgebaut wird. Marketing+Kommunikation: Dienstleistungsmarketing wird durch die "Immaterialität der Leistung", die Kommunikation der "Leistungsfähigkeit des Anbieters" und den Einbezug des Kunden als "Externer Faktor" gekennzeichnet. Ist gerade der Einbezug des Kunden die grosse Herausforderung von heute? Hans Peter Wehrli: Damit der Kunde einbezogen werden kann, braucht es ein hohes Mass an Standardisierung. Die Individualisierung geschieht normalerweise nicht im Kern des Angebots, sondern durch den Kunden selbst, er wird zum Prosumer (Producer -Consumer). Viele puncto Organisation und EDV klassisch strukturierte Anbieter kämpfen dabei mit einem Infrastruktur-Ballast, der gefährlich werden kann: Plötzlich stellt sich die Frage "Wer integriert wen?" Gelingt es jungen Anbietern, die Rolle des "Knoten im Spinnenweb" zu übernehmen, so können sich die Machtverhältnisse im Markt sehr schnell ändern. Marketing+Kommunikation: In den neunziger Jahren wurden Produkte mit Dienstleistungen "aufgeladen". Lautet heute die Frage umgekehrt: Wie finden wir die richtigen Produkte zu unseren Dienstleistungen? Hans Peter Wehrli: Es gibt einige Beispiele, bei denen der materielle Charakter wieder ausgebaut wird. Nehmen Sie z.B. die Tankstellen, welche ursprünglich die Dienstleistung des Tankwarts anboten. Dann kamen die Selbstbedienungstankstellen und jetzt wieder die Tankstellen-Shops. Oder die WAP-Entwicklung: Allein der Service "Mobiltelefonieren" reicht nicht, es werden - produktähnlich - zusätzlich Inhalte geliefert. Die Grenzen zwischen Produkt und Dienstleistung sind heute fliessend. Entscheidend ist, ob damit die Beziehung "aufgeladen" wird. |
Interview mit Dr. Peter Weibel,
CEO und Partner PriceWaterhouseCoopers
Marketing+Kommunikation: Die PriceWaterhouseCoopers Treue-Gleichung lautet: Kundenmehrwert = Dienstleistungs- bzw. Produktenutzen + Markenversprechen + Beziehungsmanagement – Preis. Können Sie Beispiele zum Beziehungsmanagement nennen? Peter Weibel: Das fängt bei ganz praktischen Dingen wie etwa der Verfügbarkeit am Telefon oder dem schnellen Rückruf an. Daneben suchen wir heute grundsätzliche mehr die positiven Kontakte: Früher bemühte man sich zwar intensiv um einen Auftrag, vergass aber, im laufenden Geschäft oder nach Abschluss des Auftrags für das Vertrauen zu danken. Als drittes haben wir ein breites Arsenal von systematischen Massnahmen:
Marketing+Kommunikation: Den Uebergang vom One-to-Many- zum One-to-One-Marketing beschreiben Sie als einen dreistufigen Prozess: 1. Strategie-Entwicklung, 2. Customer-Relationship-Management (CRM) Transformation, 3. CRM-Implementation. Wie sind die drei Stufen untereinander zu gewichten? Peter Weibel: Der wichtigste und schwierigste Schritt ist die CRM-Transformation, das Change-Management, da es dafür keine standardisierten Prozesse gibt. Das geht nur mit vollständigem Commitment des Managements. Sonst lautet das Resultat: NT + OO = EOO bzw. New Technology + Old Organization = Expensive Old Organization. |
Customer Relationship Management
Transformation
nach Dr. Peter Weibel, PriceWaterhouseCoopers Organization Change
Process Change
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Relationship Marketing nach Professor Dr. Hans Peter Wehrli, Universität Zürich |
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Bisheriges Marketing-Verständnis |
Heutiges Marketing-Verständnis |
Ziel: "to make a sale" |
Ziel: "to create a customer" |
Verkauf ist Abschluss einer Kundenbeziehung |
Verkauf ist Beginn einer Kundenbeziehung |
Ausrichtung: Produkt (mass production) |
Ausrichtung: Service (mass customization) |
Produkte und Ressourcen bestimmen die Marketing-Aktivitäten |
"Relationships" bestimmen die Marketing-Aktivitäten |
Preis: gegeben |
Preis: Resultat |
Einseitige Kommunikation |
Zweiseitige Kommunikation |
Anonymer Kunde |
Bekannter Kunde: Name, Adresse, Lebensgeschichte |
Customer Relationship Management -
Erfolgsfaktoren nach Dr. Peter Weibel, PriceWaterhouseCoopers
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BASE-Marketing Dr. oec. HSG Luzi Rageth, Birmensdorferstrasse 470, 8055 Zürich Home |