Ueber Marketing-Strategie- und -Mix am Beispiel von AMAG AutoProfit (inkl. Checkliste Marketingkonzept)
Komponiert, mit Timing und "primitiv"!
Publiziert in Produktion+Print Nr. 1/2, Januar / Februar 1997
Der vorliegende Artikel untersucht nicht eine einzelne Marketing-Taktik, sondern eine Marketing-Massnahme als Ganze: AutoProfit, das Bonus-System der AMAG-Gruppe. Bei dieser Massnahme zur Kundenbindung lässt sich exemplarisch darstellen, worauf es im Marketing ankommt: Auf das Zusammenspiel der Massnahmen und ihre zeitlich optimale Abfolge. Und darauf, dass man die Dinge "primitiv" auf den Punkt bringt.
"Marketing betrifft alles, was der Kunde von der Unternehmung mitkriegt". Diese Marketing-Umschreibung haben wir unserer nun schon in die zwölfte Folge gehenden "Marketing im Test" - Artikelserie vorangestellt. Wir untersuchten bisher solche Kontaktpunkte wie z.B. den Telefondienst, die Werbung oder den Internet-Auftritt einzeln. Und nachdem wir die wohl wesentlichsten Punkte abgehandelt haben, ist es nun an der Zeit, die "hohe Schule" des Marketings zu testen: Marketing-Strategie und Marketing-Mix.
Und noch etwas ist bei den Artikeln der nächsten Monate anders: Bisher haben wir immer Beispiele aus der Kommunikations-Branche untersucht; z.B. Druckereien, Papier-Lieferanten, Werbeagenturen oder Druckvorstufenbetriebe. Neu wenden wir uns von dieser Nabelschau ab und den Kunden der Kommunikationsbranche zu. Denn wenn wir deren Marketing-Problematik besser verstehen, können wir sie auch besser bedienen.
Was zeichnet gutes Marketing aus?
Philip Kotler, immer noch der Marketing-Guru, schrieb einmal: "Marketing ist das Gegenteil von Verkauf. Verkauf bringt die Produkte zum Kunden, Marketing bringt die Kunden zum Produkt". Produkte (Hardware und Dienstleistungen) solcherart gestaltet, zu solchen Preisen, kommuniziert mittels solcher Werbung, distribuiert über solche Kanäle, dass ein Kunde seine Bedürfnisse optimal befriedigt sieht, dass er sich das Produkt holt und es ihm nicht "aufgeschwatzt" werden muss: Das wären ja geradezu himmlische Zustände und man fühlt sich schon ans marxistische "Jeder nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten" erinnert. Doch Marketing ist keine Heilslehre. Marketing hat zum Ziel, die Unternehmung und Ihre Produkte im harten Konkurrenzwettbewerb als geeigneter erscheinen zu lassen, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Und jetzt wäre eigentlich nur noch die Frage zu stellen: Wie macht man das?
Marketing ist "Komposition"
Grundsätzlich gibt es zwei Wege, ein Marketing auszugestalten: Top-down oder bottom-up.
Unabhängig davon, ob man top-down oder bottom-up an die Marketing-Problematik herangeht, haben doch alle Marketing-Erfolge etwas gemeinsam. Alle zeichnen sich durch eine sehr versierte Komposition, ein eng verzahntes Ineinandergreifen aller Massnahmen aus. Die "Wahl der Waffen" hat schon manchen Kampf entschieden, und genauso werden Marketing-Schlachten in hohem Ausmass dadurch gewonnen, dass man die richtigen Mittel einsetzt.
Marketing ist Timing
Wirtschaftliches Geschehen vollzieht sich immer im Zeitablauf. Und mit diesem Zeitablauf umgehen zu können, ist ein zweiter Punkt, der gute Marketer auszeichnet. Es geht also nicht um ein statisches Set von Massnahmen, sondern um deren genauso verzahnter Einsatz in einer zeitlichen Abfolge. Die Mittel zueinander passend zu gestalten (z.B. qualitativ hochstehende Produkte zu gehobenem Preis, angepriesen in exklusiven Print-Medien und distribuiert über genauso exklusive Fachgeschäfte), das ist schon recht schwierig. Doch dann auch noch das notwendige Gespür haben, genau wann welche Preisreduktion, welche Werbeaktion, welche Aenderung der Distributionswege angesagt ist, dazu braucht es viel Erfahrung und Talent. Das ist definitiv nicht jedem gegeben.
Marketing ist "primitiv"
"Ich bin ein ganz primitiver Mensch mit genauso primitiven Bedürfnissen und ich hab's am liebsten ganz ganz einfach". Das war ich selbst, der dies einmal einem Beratungs-Kunden gesagt habe. Ich kam mir wirklich gerade etwas primitiv vor. Doch die Aussage hat etwas Wahres an sich. Vielleicht lässt es sich mit einem Bild erklären: Ich liebe es, mir am Fernsehen Turm-Springen anzusehen. Da gibt es manche Springer bzw. Springerinnen, die die abenteuerlichsten Salti, Schrauben und sonstigen akrobatischen Bewegungen machen, bevor sie ins Wasser eintauchen. Und dann kommt der grosse Meister: Er steht entspannt und konzentriert am Sprungbrett-Rand, holt kaum aus, beschreibt in vollendeter Harmonie in der Luft eine relativ einfache Figur, sticht so ins Wasser ein, dass das dabei entstehende Aufspritzen durch die Kamera kaum zu sehen ist und gewinnt den Wettbewerb! Die meisten Marketing-Erfolge sind dieser Sequenz sehr ähnlich. Nennen wir's "edle Einfalt, stille Grösse" oder eben "primitiv". Oder "fokussiert", um an die aktuellste Marketing-Diskussion anzuknüpfen.
Konzeptionelles Marketing
Echte Komposition, griffiges Timing und "Primitivität", das basiert meist auf sehr viel Marketing-Arbeit. Eine Arbeit, die man am besten in einem schriftlichen Konzept festhält. Das erleichtert die Kontrolle und Korrektur sowie auch die Kommunikation mit den Umsetzungs-Beteiligten. Die "Checkliste Marketing Konzept" gibt die wesentlichen Inhaltspunkte eines Marketing-Konzeptes wieder und wir wollen nun "Butter bei die Fische tun" und dem "Marketing-Test"-Gedanken nachkommen. Wir machen gleich mit AutoProfit die Probe aufs Exempel.
Falls Ihnen AutoProfit nicht bekannt ist, hier eine kurze Umschreibung: AutoProfit ist das Bonus-System der AMAG-Gruppe. Es funktioniert sehr grob dargestellt in den folgenden drei Schritten: 1. Der Kunde kauft bei einer der Partner-Firmen mit einer Visa-Karte (z.B. Blumen bei Fleurop). 2. Der Kunde erhält einen Rabatt für diesen Kauf in Form von Bonus-Punkten auf sein AutoProfit-Konto gutgeschrieben. 3. Beim Kauf eines Autos bei einem Vertreter der AMAG-Marken werden die Bonus-Punkte in Zahlung genommen.
Analyse
Wenn ich ein Marketing-Konzept erstelle, so verwende ich ca. zwei Drittel der Zeit auf die Analyse und nur ein Drittel auf die eigentliche Konzeption. Das mag erstaunen, doch die wirklich guten Ideen kommen immer erst, wenn man den Ist-Zustand klar erfasst hat.
Für AutoProfit wurde erstaunlicherweise keine systematische Analyse betrieben. Doch wusste man einige wichtige Punkte, welche die Konzeption leiteten:
Strategie-Evaluation
"Viele Marketing-Flops hätten sich verhindern lassen, hätte man nur genügend die Alternativen evaluiert" - Philip Kotler muss es wissen. Hat man sich nach profunder Evaluation für eine Strategie entschieden, so gerät dieser äusserst wichtige Punkt gerne in Vergessenheit. Die verworfenen Alternativen werden nur noch erinnert, wenn jemand die Strategie abändern will. "Nein, das haben wir früher genau geprüft und die Gründe, dass wir es verworfen haben, gelten heute noch" kann in einem solchen Fall viel Zeit und noch mehr Geld sparen.
Die von AutoProfit gewählte Strategie lässt sich wie folgt umschreiben:
Marketing-Mix
Wenn ich's richtig in Erinnerung habe, so werden die vier P (Produkt, Preis, Promotion, Plazierung) als Definition des Marketing-Mix dieses Jahr 100-jährig. Dass man diese vier Punkte aufeinander abstimmen muss, ist also schon seit längerer Zeit bekannt. Und die Geschichte des Marketings zeigt, dass immer wieder neue Kombinationen gefunden wurden. Der Marketing-Mix muss also immer wieder überprüft und weiterentwickelt werden. Hier der derzeitige von AutoProfit:
Infrastruktur
Natürlich geht auch im Marketing nichts ohne die notwendige Infrastruktur. Und AutoProfit zeigt: Schon gar nicht ohne EDV. Dies bestätigt den in den USA schon seit langem feststellbaren Trend der zunehmenden Elektronisierung des Marketing (Internet und Database-Marketing sind hierzu nur Stichworte).
Taktik und Kontrolle
Die Budgets, Zeitpläne, Verantwortlichkeiten und Kontroll-Fixpunkte "nageln" das Marketing. AutoProfit wird in dieser Hinsicht auch für das Gesamt-Marketing der AMAG-Gruppe wertvoll sein, indem es interessante Daten zu den AMAG-Kunden liefert: Woher, d.h. von welchen Partnerfirmen, kommen die Bonus-Punkte und wohin, d.h. an welche Marken und Produkte, gehen Sie?
Was können Sie tun?
Fragt man Bernhard Rutz, was er heute anders machen würde, so ist für ihn klar: "Die ersten Anzeigen waren viel zu komplizierte 'Bleiwüsten' und der eigentliche Zweck ging vollends unter: Der AutoProfit-Kunde soll am Schluss günstiger zu dem Auto kommen, das ihm Freude macht. Das bringen wir heute viel stärker zum Ausdruck. Die ganzen juristischen Umschreibungen des Systems hätten wir uns schenken können".
Dies veranlasst uns von Produktion+Print zu folgenden Tips:
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