Permission Marketing

Permission denied

Von seinen Erfindern und Promotoren wird Permission Marketing als die einzig mögliche Form heutigen Marketings gefeiert. Das ist sicher falsch. Da es aber eine Kombination von vier wichtigen und erfolgreichen Marketing-Ansätzen darstellt, verdient es eine kritische Würdigung.

Publiziert in Marketing+Kommunikation Jahrbuch 2002

"Traditionelles Marketing bleibt auf der Strecke" schreibt Seth Godin, der "Erfinder" des Permission Marketing. Wenn ich das schon höre! Der Mann ist Vice President für Directmarketing bei Yahoo und erlaubt sich sowas! Marketing wird sehr selten neu erfunden und Seth Godin hat dies sicher nicht getan. Traditionelles Marketing bleibt so wenig auf der Strecke wie der Erfolg starker Marken. Also alles Quatsch? Vielleicht nicht ganz, denn Permission Marketing bringt vier wichtige und erfolgreiche Ansätze zusammen:

Und dann kommt dieser Seth Godin und will uns klar machen, er hätte etwas erfunden: Ich wäre gerne der kleine Mann aus der Ricola Werbung, würde ihn am Badetuch zupfen und ihn fragen: "Wer hat’s erfunden?"

 

Permission Marketing

Worüber sprechen wir überhaupt? Ausgangspunkt von Seth Godins Ueberlegungen ist die Art, wie ein Unternehmen für sich wirbt. Die herkömmliche Werbung wird von ihm "Unterbrecher-Werbung" genannt, weil sie den Kunden bei dem unterbricht, was er gerade tut: Zeitung lesen, fernsehen, etc. Nach seiner Analyse wird diese Form der Werbung als lästig empfunden. Anders bei Permission Marketing: Dieses zielt im Gegensatz zur Unterbrecher-Werbung "auf das Einverständnis des Verbrauchers, ihm direkte Werbeinformation durch Etablierung eines wechselseitigen Dialogs liefern zu dürfen. Die heutige interaktive Technologie ermöglicht ein solches Ein-zu-Eins-Verhältnis zwischen Unternehmen und einzelnen Kunden". Das Einverständnis wird durch verschiedene Anreize eingeholt: "Information, Unterhaltung, Preise bis hin zu simplen Zahlungen für die Aufmerksamkeit des Kunden". Und hat man erst das Einverständnis, zu werben, so darf man auch regelmässig werben. Der Kunde wird gezielt informiert. Im optimalen Fall erhält er nur Informationen, welche erwartet, persönlich und relevant sind.

So weit so gut, aber dann kommt der Haken: "Aus einem Fremden macht man so einen Bekannten, dann einen Freund, dann einen guten Freund, schliesslich einen Kunden und dann einen lebenslänglichen Kunden". Das ist doch dreifacher Schrott!

  1. Wollen Sie wirklich nur von und an Freunde verkaufen? Dieses Ablauf-Schema wird in der Realität ständig durchbrochen und wehe dem, der daran festhalten will. "Sie dürfen noch nicht kaufen, denn Sie sind noch kein Freund" oder "Jetzt wo Sie kaufen sind sie auch ein Freund". Ich verstehe unter einem Freund doch lieber etwas anderes.
  2. Kann ich mich wirklich durch interaktive Technologie vom Fremden zum Bekannten machen? Ich glaube, die klassische "Unterbrecher-Werbung", deren Ende von Seth Godin und seinen Anhängern beschworen wird, ist hierfür viel geeigneter.
  3. Und sollte es funktionieren, dass ich mittels eines kleinen Geschenkes oder eines Wettbewerbs wirklich ein paar neue Kunden zur Interaktion bewege: Sind das denn wirklich diejenigen, die ich als Kunden will oder züchte ich mir da nicht schon von Anfang an eine Horde von Schmarotzern mit zuviel Zeit?

Gerade der letzte Punkt birgt noch eine zusätzliche Gefahr in sich: Geschenke und Wettbewerbe sind meist recht schnell ersonnen und lanciert, doch wer nicht von Anfang an eine Exit-Strategie hat, den kann das teuer zu stehen kommen. In der Schweiz wurde vor langer Zeit von einer Mineralwasser-Marke für Wirte (bzw. für deren Partnerinnen) eine Perlen-Aktion ersonnen. Für jede Kiste und jede Palette Mineralwasser gab’s Bonuspunkte, die man dann in Ohrstecker und Perlenketten einlösen konnte. Niemand dachte an das Ende der Aktion und es ist auch nicht bekannt, wie erfolgreich sie war. Aber der Perlen-Preis stieg und schon vor fünfzehn Jahren (und vielleicht heute noch) mussten mehrere Leute für den Perlen-Einkauf beschäftigt werden. Ein Ausstieg hätte aufgrund der Enttäuschung den sofortigen Wechsel zur Konkurrenz zur Folge gehabt.

 

Grenzen und Nutzen

Legt man den Raster von Torsten Tomczak und Sven Reinecke zum Aufgabenorientierten Marketing zugrunde, so sieht man sehr schnell, dass Permission Marketing zum Gewinnen neuer Kunden und zur Entwicklung neuer Produkte wohl wenig taugt. Aber es kann sicher nutzbringend sein, um Kunden "auszubauen" und Produkte zu verbessern.

Sicher ist auch gegen einen stetigen Dialog mit den Kunden nichts einzuwenden, der einerseits Unternehmen und Produkte besser rüberbringt und andererseits das Wissen über den einzelnen Kunden steigert. Und warum auch nicht: Die höchste Ebene im Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Unternehmen wird von Seth Godin als die "Intravenöse Ebene" beschrieben: Man kann für den Kunden dessen Kaufentscheidungen treffen. Und solange man ihn nicht enttäuscht, ist ihm dabei sogar sehr wohl.

Wer sich die Erkenntnisse des Permission Marketings zu eigen machen will, dem sei folgender Rat mit auf den Weg gegeben:

  1. Loyalität und Langfristigkeit sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer das nicht begriffen hat, der sollte von Permission Marketing grundsätzlich die Finger lassen.
  2. "Frage nie um Erlaubnis" galt früher als Unternehmertugend: Falls Du an neue Kunden herantrittst oder neue Produkte auf den Markt bringen willst, glaube bloss nicht, dass Du dafür eine Erlaubnis einholen musst. (Das bedeutet allerdings nicht, dass hier dem Spamming, d.h. dem unerlaubten Versenden von Massen-Emails das Wort geredet wird. Emails sind sowieso nicht geeignet, um neue Kunden zu kontaktieren).
  3. ABC – Allways be closing: Denke und strebe immer nach dem Abschluss. Es ist Aufgabe des Kunden, zu sagen, wenn er noch nicht soweit ist.

Behauptet man, man wolle ja nur die Erlaubnis einholen, um ein bisschen zu werben, so ist das verlogen. Und das funktioniert im Marketing genauso wenig wie im normalen Leben.

Und zu guter Letzt: Schluss mit diesen überstrapazierten Parallelen zwischen Privatleben und Geschäftskontakt wie "Ehe", "Vertrauen" und "Freundschaft". Es geht ums Geschäft und gerade diejenigen, die am meisten und lautesten etwas anderes behaupten, sind die Schlimmsten. "Trust me!"

 

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