[Marketing Budgetierung und Controlling 2007]

Budgetieren für den Shareholder Value

Luzi Rageth und Franz Wyss*

Für 2007 kann mit insgesamt gleichbleibenden Marketing-Budgets auf hohem Niveau gerechnet werden. Der Trend weg von den klassischen Medien hin zu den direkten und elektronischen Medien wird sich fortsetzen. Zunehmend steht auch Loyalitätsmarketing im Vordergrund. Und im Marketing-Controlling hält der Shareholder Value Ansatz Einzug.

Für 2007 sehen die von uns befragten Experten stagnierende Gesamtbudgets auf hohem Niveau. Cornelia Köppel, Marketing Communications Manager bei Dell: „Die Konjunkturaussichten werden als gut beurteilt und entsprechend sollten für das Marketing die gleich hohen, aber anders verteilten Budgets zur Verfügung stehen." Natürlich wird es branchenspezifische Unterschiede geben. In der PC-Sparte wird zum Beispiel das tatsächliche Einführungsdatum von Windows Vista einen Einfluss auf den Einsatzzeitpunkt und Einsatzort des Budgets haben.

Marketing-Budgets 2007 stabil

Die Budgets bleiben insgesamt gleich hoch. Und sie verändern sich kontinuierlich: Der Siegeszug des Relationship-Marketing und der direkten Kommunikationsmittel setzt sich fort. Luca De Carli, Head of CRM bei Sunrise: „Wir reservieren heute mehr Budget für Loyalitätsmassnahmen im Sinne eines ‚Emotionalen CRM‘. Dabei denken wir hauptsächlich an ein verstärktes Engagement in Events, was erwiesenermassen zu deutlich höheren Retention Rates führen kann." Aehnlich sieht es auch Peter Bauer, Leiter Marketing bei der Luzerner Kantonalbank: „Im Vergleich mit Vergangenheit hat das beziehungsorientierte Marketing gegenüber dem transaktionsorientierten Marketing klar an Bedeutung gewonnen. Je härter der Markt in einem Verdrängungswettbewerb wird, desto wichtiger wird die Differenzierung über die gezielte Kundenpflege, d.h. mit Emotionalität direkt ins Herz des Kunden gelangen". Alte (zumeist above the line) Werbeformen werden zugunsten von neuen Möglichkeiten der direkten below-the-line Ansprache reduziert und man trachtet danach, beides besser aufeinander abzustimmen. Cornelia Köppel: „Wir avisieren eine noch stärkere Online und Offline Integration, wir verbinden also zum Beispiel elektronisches Marketing mit Print auf neuartige Weise." Es ist klar, dass bei solchen Verschiebungen und Integrationen die bestehende Organisation einer Unternehmung hinderlich sein kann und die Verschiebungen sonst noch grösser wären. Wenn PR, Investor-Relations, klassiche Neukunden-Werbung und Customer Relationship Management organisatorisch getrennt sind, wie könnte es da nicht automatisch zu die gewohnte Praxis bewahrenden Verteilkämpfen kommen?

Perspektiven-Wechsel der Budgetierung

Der Budgetierungs-Prozess ist und bleibt bei vielen Unternehmen die wichtigste Steuerungsmassnahme des Jahres, andere wiederum verzichten ganz einfach darauf. Das mag auf den ersten Blick erstaunlich klingen, geht jedoch auf die schon im letzten Jahrhundert gestartete „Beyond Budgeting" Initiative von Hope und Fraser zurück. Dabei werden starre Budgets durch rollend erstellte und den Märkten angepasste Leistungsverträge ersetzt. Einen Mittelweg bilden die kurzfristigen und umsatzabhängigen Quartals-Budgets.

Ob man nun im Sinne eines „Beyond Budgeting" gänzlich auf Budgets verzichtet oder sie im Sinne eines „Better Budgeting" unter Einbezug der Balanced Scorecard dynamischer gestaltet: Budgets werden heute in der Privatwirtschaft nur noch selten fix und fürs ganze Jahr erstellt. Cornelia Köppel: „Wir arbeiten mit Quartals-Budgets und Quartals-Ergebnissen. Die Budgets sind einfacher zu erstellen und die Resultate sind besser zu messen. In Zukunft werden wir auf noch kürzere Planungs- und Kontroll-Intervalle abstellen". Auch bei Sunrise steht die Quartalsplanung mit entsprechender späterer ROI-Messung für jede Marketing-Massnahme im Vordergrund. Luca de Carli ergänzt: „Das Budget wird unter dem Jahr in seiner Summe nicht geändert, aber es gibt Verschiebungen zwischen den einzelnen Massnahmen."

Zunehmende Sicht auf den Kunden

Neben dieser grossen, grundsätzlichen Aenderung der Budgetierungspraxis ist auch ein Perspektiven-Wechsel zu verzeichnen. Wurden früher mehr Produkte und Sparten budgetiert, gewinnen heute zunehmend Kunden und Kundensegmente an Gewicht. Luca de Carli: „Wir haben heute dank unserem Datawarehouse bzw. der Integration der Daten ‚One single customer view‘ implementiert. Auch ist unsere Kundensegmentierung heute eine andere: Früher zählte nur der Umsatz und wir teilten den Kunden einer Umsatzgruppe zu. Heute wissen wir viel mehr über ihn und unterteilen unsere Kunden z.B. nach Budget, nach ihrer Service-Orientiertheit und bezüglich ihrem technischen KnowHow." Das hat auch Einfluss auf Budgetierung und Planung: „Unsere Planungsgenauigkeit ist über die Jahre viel besser geworden. Gerade die Retention-Marketing-Massnahmen sind in ihrem Effekt sehr gut prognostizierbar. Sie lassen sich naturgemäss besser planen als das Neukunden-Marketing, da dieses durch externe Einflüsse stark beeinflusst wird. Auf jeden Fall steht der ‚Lifetime-Value‘ des Kunden bei Sunrise zunehmend im Mittelpunkt."

Shareholder Value Sicht beim Controlling

Der Stakeholder-Strategie-Ansatz ist veraltet, alles richtet sich auf den Shareholder Value aus. Der Marktwert des Unternehmens ist die letzte Resultante aller Aktivitäten. Diese Sicht hat zunehmend im Controlling und entsprechend auch im Marketing-Controlling Einzug gehalten. Prof. Dr. Sven Reinecke vom Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen (dem wir sehr wertvolle Anregungen zu diesem Artikel verdanken), stellt fest, dass die Frage „Rechnet sich denn Marketing überhaupt?" heute immer mehr im Vordergrund steht. „Dabei sind die Kurzfristigkeit und Zahlengläubigkeit oft ein Problem. Es existieren zum Beispiel ganz klare Dysfunktionalitäten der Börse in Bezug aufs Marketing". Investieren Unternehmen massgeblich in die Neuproduktentwicklung und in die Marktvorbereitung von Produkteinführungen, so verschlechtern sich (kurzfristig) die

Quartalszahlen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das von der Börse (welche dann später im Gegenzug die Umsatzgewinne wieder euphorisch aufnehmen wird), nicht goutiert. So sind die Marketing-Manger zunehmend gefordert. Cornelia Köppel: „Langfristig Denken und kurzfristig handeln und sicher lieber reagieren als zuwarten – darauf kommt es an".

Die Marketing Performance Chain

Die Börse ist das Eine, der wahre Unternehmenswert das Andere. Der Shareholder Value Ansatz ist unserer Ansicht nach für die Strukturierung der Marketing-Controlling Aktivitäten schon richtig. Auch die einzige uns bekannte gute Neuerscheinung der Marketing-Controlling Literatur, das Buch „Marketing Performance" von Bauer/Stokburger/Hammerschmidt , stützt sich auf diesen Ansatz.


Marketing-Performance Chain MPC nach Bauer/Stokburger/Hammerschmidt

Wie auch immer Unternehmens- und Marktwert gemessen werden, sie hängen von der Effektivität (Zielgerichtetheit) und Effizienz (Oekonomie der Durchführung) der Marketing-Massnahmen ab. Die Effektivitäts-Messung scheint heute gut etabliert, die Effizienz-Messung (besonders im Benchmarking mit alternativen Marketing-Mitteln und vergleichbaren Unternehmen) hingegen steckt eher noch in den Kinderschuhen.

Doch daran wird gearbeitet. Peter Bauer: „Die Zielerreichung wird immer an oberster Stelle stehen. Doch die Ziele sind heute nicht mehr nur eindimensional auf den Verkauf fokussiert. Wir messen ja nicht um des Messens willen, sondern weil wir einerseits die optimale Mittelallokation sicherstellen wollen und anderseits für die Optimierung der Konzeption und Realisation unseres Marketings lernen wollen." Entsprechend werden heute mehr auch qualitative Faktoren erhoben, um der Marktkomplexität Rechnung zu tragen. Das interne Marketingcontrolling setzt bei den verschiedensten Sichtweisen an und verdichtet diese. Zum Beispiel in der Luzerner Kantonalbank: „Selbstverständlich betreiben wir ein Projekt- und Kampagnencontrolling. Zudem führen wir regelmässig Marktanteilsstudien und Erhebungen über die Kundenbefindlichkeit durch. Die Resultate verdichten wir dann zu einem Brand Value Index. Und da wir auch die Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation messen, ist es besonders interessant, die Abhängigkeiten von Mitarbeitermotivation und Kundenzufriedenheit zu erkennen."

Marketing-Controlling hat sich also gerade im Hinblick auf den Shareholder Value als Dauerthema etabliert und wird immer mehr eingesetzt. Die Pflicht zum Leistungsnachweis wird immer grösser. Wir schliessen uns Sven Reineckes Bedenken bezüglich einer zu eindimensionalen Implementierung des Marketing-Controllings in den Unternehmen an: „Marketing-Controlling ist leider auch heute immer noch mehr auf die Rechtfertigung der Aktivitäten als auf die Verbesserung der Entscheidungen ausgerichtet."

*Luzi Rageth, Dr. oec. HSG MA und Franz Wyss, Dipl. Verkaufskoordinator und Verkaufsleiter, BASE-Marketing Dr. Rageth, Zürich, sind auf Marketing-Controlling spezialisierte Berater für Strategisches Marketing und Corporate Development

 

Sven Reinecke
Prof. Dr. oec., Leiter des Kompetenzzentrums "Marketingplanung und -controlling"
Institut für Marketing und Handel, Universität St. Gallen HSG
"
Der Einsatz des Marketing-Controllings ist immer auch konjunkturabhängig".
Luca De Carli
Head of CRM
Sunrise SBC, TDC Switzerland
Events als Form des Emotionalen CRM können die Retention Rate um einen Drittel steigern.
Cornelia Köppel
Marketing Communications Manager
Dell Schweiz
If you can’t measure it, you can’t manage it. If you can’t manage it, don’t do it.
Peter Bauer
Leiter Marketing
Luzerner Kantonalbank
Beziehungs-Marketing kann ohne Weiterentwicklung der Produkte nicht laufen.

 

Weiterführende Links:

www.imh.unisg.ch – Das Kompetenzzentrum für Marketing-Controlling von Prof. Dr. Sven Reinecke

www.beyondbudgeting.com – Der Beyond Budgeting Round Table, dessen Forschungsverantwortliche „Beyond Budgeting" (Schäfer-Poeschel, Stuttgart 2003) schrieben

www.metamanagementgroup.com – Niels Pfläging, Autor des Buches „Beyond Budgeting – Better Budgeting" (Haufe, Planegg/München 2003)

www.marketing-performance.com – Das Buch „Marketing Performance" von Hans. H. Bauer / Gregor Stokburger / Maik Hammerschmidt (Gabler, Wiesbaden 2006)

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