[Marketing Budgetierung und Controlling 2005]

Vorzeichenwechsel im Marketing des Jahres 2005

Marketing+Kommunikation befragte Marketing-Verantwortliche führender Unternehmen zu Budgetierung und Controlling 2005. In dreifacher Hinsicht zeigt sich ein Vorzeichenwechsel: Die Marketing-Budgets werden wieder steigen. Sie werden immer flexibler gehandhabt. Und zunehmend wird die eigene Position "aus der Negation heraus" definiert.

Tips zum Marketing-Controlling finden Sie hier

Die gute Nachricht zuerst: Unsere Umfrage bei Marketing-Verantwortlichen von führenden Unternehmen der Schweiz lässt steigende bzw. sicher nicht weiter fallende Marketing-Budgets im Jahr 2005 erwarten.

 

Steigende Budgets

Als Marketing-Zulieferer und Werbetreibender darf man hoffen. Die Budgets werden unserer Umfrage zufolge nicht weiter fallen, sondern eher wieder steigen. Unsere Befragung ausgewiesener Experten kann nur einen angenommenen Trend beschreiben und keine genauen Zahlen liefern, aber ein Einpendeln der Marketing-Budgets 2005 auf 2003er Niveau oder sogar noch etwas darüber bzw. bei +5% bis +10% gegenüber 2004 ist wahrscheinlich. Grund hierfür ist unter anderem, dass bei langlebigen Konsumgütern und bei Investitionsgütern der Nachholbedarf lange genug hinausgezögert wurde.

Interessant sind die Umschichtungen: Die Budgets werden einerseits auf Aktivitäten mit direktem, messbarem Kunden-Kontakt konzentriert. Das bedeutet oft eine Verstärkung der elektronischen CRM Customer Relationship Management Schiene oder auch eine verstärkte Marketing- und Verkaufsschulung des Kunden-Kontakt-Personals, worunter nicht nur der Verkauf zu zählen ist. Der Vormarsch der direkten Kundenansprache gilt jedoch nicht für das Akquisitionsgeschäft. Direct-Marketing zur Kundengewinnung ist zunehmend verpönt.

Andererseits wird angenommen, dass im nächsten Jahr die grossen, starken Marken die Gewinner sein werden. Um den Schwung auszunützen und deren Image zu transportieren, bieten sich TV und Print an. Innovative TV-Formen werden entsprechend gewinnen. Inwiefern Print (inklusive Eigenpresse) die Verschiebung zu direkten, auf bestehende Kunden ausgerichteten Medien über die verstärkte Imagewerbung ausgleichen kann, ist ungewiss. Die Schweiz ist und bleibt aber printlastig.

Wer nun annimmt, die sogenannte "Soft-Werbung" zur Imagebildung werde uns im 2005 mit flotten Sprüchen das Hirn weichspülen, der täuscht sich: "Bei jeder Massnahme, die wir machen, fragt der Kunde: Was soll das, was bringt mir das?" Reimund Schmidt, Head Private & Corporate Clients, HR Marketing bei der Credit Suisse, hat eine genaue Vorstellung der zukünftigen Werbung und Marketing-Massnahmen. "Wir sind von Anfang an in den strategischen Businessplan involviert. Daraus werden messbare Ziele abgeleitet und die entsprechenden Massnahmen, resp. Umsetzungen und in Folge die Budgets definiert". "Klare strategische Vorgaben und Hauptaufgaben, messbare Ziele und ein Commitment bei den Umsetzungsverantwortlichen" sind auch für Domenico Gaito, Leiter Marketing bei BMW (Schweiz) AG, ein Must. So, wie sich der Business-Plan 2005 am Kunden-Benefit ausrichten muss, so werden es auch die Marketing-Massnahmen, insbesondere die Image-Werbung, tun müssen.

 

Höhere Flexibilität

Im Programm des Marketing-Institutes einer Schweizer Universität steht, dass Marketing-Controlling nicht zum behandelten Themenkreis zählt, sondern "zur Domäne des Instituts für Rechnungswesen und Controlling gehört". Controlling hat viel mehr mit Steuern (englisch "to control") als mit Kontrollieren zu tun. Und dieses Steuern auszuklammern, macht wenig Sinn. "Quantitatives Marketing und Controlling sind sehr interessant und werden in der Schweiz noch zuwenig gepflegt", halten Marc-Alain Dubois, Direktor und Nicole Weiss, Marketing Manager bei Nespresso Schweiz fest. Aber das ändert sich überall. Bei der Credit Suisse werden z.B. die Controller konsequent in den Entscheidungsprozess eingebunden. Unter anderem ist ein regelmässiges Marketing-Reporting fest etabliert. "Heute werden vermehrt die Fakten berücksichtigt", freut sich auch Hansruedi Kuster, Head of Marketing bei SAP Schweiz. "Wir behandeln unsere Implementations-Partner wie Key Accounts und führen mit ihnen regelmässig faktenbasierte Gespräche, welche für beide Seiten bindend sind."

Zahlen und Fakten sammeln sind das Eine, daraus Handlungen abzuleiten und diese auch durchzusetzen, ist das Andere. Während Budgets früher als fix galten und nur in Krisensituationen abgeändert wurden, werden sie heute zunehmend flexibel gehandhabt. "Im Vordergrund steht die zugrundeliegende Ratio, das Verhältnis. Bei uns richtet sich sehr vieles auf die verkaufte und verkaufbare Einheit, also das einzelne Fahrzeug aus", erläutert Domenico Gaito. Dies bestätigt auch Stefan Maegli, Leiter Werbung bei Denner. "Entscheidend ist das Umsatzverhältnis". So hat sich ganz im Stillen etabliert, was noch vor einem Jahr unter dem Begriff "Beyond Budgeting" als Geheimtipp gehandelt wurde. Budgets basieren auf Annahmen. Aendern sich die Annahmen, ändern sich auch die Budgets. Und das kann sehr schnell gehen.

Im Grunde wird mit dieser Flexibilisierung der Budgets die erste Dimension des Marketing-Controllings, die Messung und Steuerung der Effektivität (also der Ziel-Gerichtetheit) der Massnahmen widergespiegelt. Aus Prä- / Post- (also Vorher- / Nachher-) Messungen im Zeitablauf wird überprüft, ob die Massnahmen aufs gewünschte Ziel hingeführt haben. Dies kann auch in umgekehrter Reihenfolge geschehen und zeigt den pragmatischen Ansatz des heutigen Marketings in der Praxis auf: "Was hat alles zum Erfolg geführt? Wie kam es dazu, dass der Kunde unser Kunde wurde? Dies wird bei uns heute dank unserem eigenen CRM-System minutiös untersucht und rückverfolgt". Für Hansruedi Kuster eröffnen sich damit neue Dimensionen des SAP-eigenen und von ihm selbst eingesetzten Produktes. "Heute fehlt es im Marketing nicht an Kreativität, sondern an den Prozessen, die uns helfen, unsere Marketingmassnahmen weiter zu optimieren und konsequent zu implementieren", stellt auch Reimund Schmidt fest und zeigt die steigende Relevanz des strukturierten Marketing-Controllings klar auf.

 

Neue Dialektik

Die Dialektik (z.B. bei Marx: These, Antithese, Synthese) als Mittel zur Erkennung neuer, höherer Formen der Wahrheit ist seit Goethes Faust bekannt. (Der Teufel: "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft"). Utopien spiegeln laut dem Sozialforscher Lars Gustafson aus der Verneinung heraus viel klarer die herrschenden Zustände, als ihr positiver Beschrieb: "Negation als Spiegel". Und es scheint so, als hätte eine neue Dialektik im Marketing Einzug gehalten.

Denner untersuchte vor "New Denner" ganz genau seine Kundschaft und genauso genau seine Nicht- und Ex-Kundschaft. Die neuen Denner-Läden sind explizit darauf ausgerichtet, die Nicht- und Ex-Kunden wieder anzuziehen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben. Bei der Credit Suisse werden die Gründe für und ebenfalls die Gründe gegen die Credit Suisse im Detail analysiert. Reimund Schmidt: "Der Kunde weiss immer, was er will, und er weiss immer, was er nicht will". Bei SAP werden die Besucher von Firmen-Events mit Freude zur Kenntnis genommen, aber auch den Ferngebliebenen und deren Gründen wird genauestens nachgegangen. In neuen CI-Manuals steht nicht nur, was man tun soll, sondern auch, was man auf keinen Fall tun soll. "Wir können über das von uns angebotene Media-Asset-Management System sicherstellen, dass gewisse Inhalte und Funktionalitäten nur einem eingeschränkten User-Kreis zur Verfügung stehen. Und diese Einschränkung wird von unseren Kunden genauso geschätzt, wie die Erweiterung der Möglichkeiten", zeigt sich Jürg Trösch von Visiolink Zürich überrascht.

Aus detaillierten Studien zu Kunden, zu Nicht-Kunden und zu Ex-Kunden abgeleitetes neues Denner-Erscheinungsbild in den über 300 Filialen und 270 Satelliten

Einerseits wird durch diese neue Dialektik im Marketing bezweckt, Schlechtes und Untaugliches auszumerzen. Ein grosses Benchmarking ist im Gange, das jede Massnahme mit anderen Massnahmen vergleicht. Ob Firmen-Events, welche bei genauesten Vergleichen bezüglich Besuchern, Gästen und Resulaten standhalten müssen, oder ob Werbemittel: Alles wird auf seine Wirkung hin untersucht und verglichen. Auch die zweite Dimension des Marketing-Controllings, die Ueberprüfung der Effizienz hat in der Praxis klar in den Marketing-Etagen Einzug gehalten.

Andererseits wurde erkannt, dass man sich sowohl über das, was man tut, wie über das, was man nicht tut, in Szene setzen kann. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Dies hat man bei Nespresso klar erkannt und setzt es proaktiv ein. Nicole Weiss: "Unsere selektive Distribution stärkt unser exklusives Image. Wir werden sicher nicht die grossflächige physische Präsenz unserer Nespresso-Kapseln anstreben. Im Gegenteil werden wir mit unseren Nespresso-Boutiquen unsere Besonderheit gegenüber Me-too-Produkten noch mehr hervorheben".

 

 

Nicole Weiss

Marketing Manager Nespresso Schweiz

Entwicklung der Marketing-Budgets 2005

"Im Sektor Food sehen wir - wie übrigens in den letzten Jahren schon immer - leicht wachsende Budgets. Niemand weiss, wie stark die Budgets wachsen werden, da der Margen-Druck auf die Produzenten steigen wird, und prozentual entsprechend weniger Geld zur Verfügung steht".

Best Marketing-Controlling-Practice

Bei Nespresso wird ein standardisiertes Reporting für Events und für die Demo-Damen an den Verkaufs-Ständen eingesetzt. Anzahl Besucher des Events insgesamt, Anzahl Leute am Stand, Anzahl Versucher (Probanden) des Kaffees; alles wird minutiös festgehalten und auf Ziel-Abweichungen wird sofort reagiert.

Domenico Gaito

Leiter Marketing BMW (Schweiz) AG

"Im Bereich der langlebigen Konsumgüter sehen wir leicht steigende Marketing-Budgets, da der aufgestaute Nachholbedarf im 2005 gestillt werden muss und kann. Das Marketing-Budget pro verkaufte Einheit wird jedoch ungefähr gleich bleiben. Die elektronische Schiene wird im Sinne eines Permission-Marketing klar verstärkt".

Mit dem BMW Brand-Monitor ist ein ausgeklügeltes Verfahren entwickelt worden, welches international, national, regional und sogar lokal auf den einzelnen Händler angepasst Feedback zur Wahrnehmung bei Kunden und auch bei Nicht-Kunden liefert. Daraus werden sowohl strategische wie auch ganz einfache taktische Massnahmen wie z.B. der Umfang und das Design der angebotenen Dienstleistungen, die Ladenöffnungszeiten oder Infrastrukturanpassungen abgeleitet.

 

 

Reimund Schmidt

Head Private & Corporate Clients, HR Marketing, Credit Suisse

"Im Finanzdienstleistungs-Sektor gehen wir von stagnierenden bis leicht höheren Marketingbudgets im 2005 aus. Die Budgets werden klar nach den strategischen Zielen ausgerichtet, welche in der Schweiz, wo wir einen hohen Bekanntheitsgrad haben, andere sind, als im Ausland".

Bei der Credit Suisse kann jederzeit auf umfangreiche Marktforschungsdaten zurückgegriffen werden. Mit LBM (Loyalty Based Management) steht zusätzlich ein Datenbank-gestütztes Tool zur Verfügung, welches erlaubt, die verschiedensten Entwicklungen im Kundenverhältnis zu analysieren. Beispielsweise können geänderte Kunden-Bedürfnisse wesentlich genauer aufgezeigt werden, als dies früher möglich war.

Hansruedi Kuster

Head of Marketing SAP Schweiz AG

"Der Information Technology Markt verlangt 2005 ein höheres Marketingbudget. Begegnungsmessen wie z.B. die neue Orbit-iEX

und die generelle Tendenz in Richtung Verbesserung der persönlichen Kundenbeziehung erfordern diese Erhöhung. Die

Einbettung dieser "below the line" Aktivitäten in ein ganzheitliches 360 Grad Marketing sind Investitionen, die sich in

Form einer grösseren Kundenzufriedenheit auszahlen."

Durch die konsequente Nutzung des eigenen CRM Customer Relationship Management Systems verfügt SAP über die

Entscheidungsgrundlagen für erfolgreiche Marketingaktivitäten. Die Analyse von "Verweigerer und No Shows" an wichtigen

Informationsveranstaltungen der SAP ist eine wichtige Basis für eine permanente Verbesserung und Optimierung der

zielgerichteten Kommunikation.

Stefan Maegli

Leiter Werbung

Denner AG

"Der Detailhandel wird die schon heute als hoch empfundenen Marketing-Budgets halten können. Zumal die Markteintritte ausländischer Mitbewerber die Positionierungsanstrengungen aller nochmals akzentuieren dürften. Man muss aber realistisch sein: Sparmassnahmen oder nur Zurückhaltung seitens der beiden grossen Händler absorbieren im Nu zusätzliche Investitionen aller anderen. Trotz zunehmender Preisaggressivität dürfte wohl "Soft"-Werbung gegenüber "Schweinebauch" zulegen.

Die bis Ende Jahr vollständig umgebauten Denner-Filialen sind das Resultat einer minutiösen Test-Anordnung und entsprechender Optimierungsmassnahmen. Das gesamte New Denner Konzept wird durch ein permanentes Image-Tracking kontinuierlich optimiert.

 

BASE-Marketing Tips für Marketing-Controlling und Marketing-Budgetierung 2005

  • Budgetieren Sie flexibel. Treffen Sie Annahmen und setzen Sie die Marketing-Aufwendungen dazu ins Verhältnis. Messen Sie die Basis-Daten der Annahmen. Und wenn sich die Daten ändern, ändern Sie auch Ihr Marketing-Budget.
  • Lassen Sie’s nicht mit der einmal jährlichen Budgetierung bewenden, sondern binden Sie die Budgetierung in Regelkreise ein, welche Lerneffekte und konstante Optimierung nach sich ziehen.
  • Erstellen Sie ein Controlling-Konzept für Ihr Marketing. Lassen Sie darin auch externe Faktoren einfliessen. Und besonders: Seien Sie sparsam, setzen Sie Schwerpunkte auch im Controlling.
  • Achten Sie darauf, dass Ihr Controlling dem Selbst-Controlling auf allen Stufen dienlich ist. Jeder Mitarbeiter sollte diejenigen Informationen erhalten können, die ihm erlauben, für die Zukunft zu lernen.
  • Prüfen Sie die Effektivität ihrer Marketing-Massnahmen. Und prüfen Sie auch die Effizienz ihrer Marketing-Aktivitäten. Viel Energie, Zeit und oft auch Geld verpufft in vermeintlich kreativen Freiräumen.
  • Nutzen Sie die neue Dialektik im Marketing. "Was wäre, wenn wir diese Massnahme nicht durchführen würden?" "Welche Kunden wollen wir explizit nicht ansprechen?" "Wie lässt sich unsere Schwäche auch als Stärke interpretieren?" "Wofür stehen wir und wofür stehen wir explizit nicht?"

 

zweiter.gif (848 Byte) BASE-Marketing Dr. oec. HSG Luzi Rageth, Birmensdorferstrasse 470, 8055 Zürich Home