Marketing Controlling 2004

Contre Rôle zum Marketing

Dient Controlling in Ihrem Unternehmen nur der vergangenheitsorientierten Kontrolle? Oder dient es auch dem englischen "to control", also dem proaktiven Steuern? Und wie wird gesteuert? Über ein "Contre Rôle", also eine Gegen-Rolle zum Management? Das Management fällt Entscheide. Das Controlling bereitet diese vor, und wenn es seine Arbeit besonders gut macht, so provoziert es sie teilweise sogar. Angesichts der informationstechnischen Möglichkeiten besteht heute oft die Annahme, die "Cockpits" der Controller könnten von alleine fliegen. Eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Controlling-Aufgaben und -Herausforderungen ist angebracht.

Tips zum Marketing-Controlling finden Sie hier

Stellen Sie sich einen Controller vor. Wie sieht er aus? Grauer Anzug, weisses Hemd, schwarze Socken. Insgesamt gepflegtes Äusseres. Dezent, verschwiegen. Bloss nichts Modisches. Lieber etwas langweilig. Und, besonders, sehr bleich.

Aber warum? Warum sind mit dem Siegeszug der Aufklärung die Hofnarren als geistreicher Widerpart der Fürsten verschwunden? Warum sind die heutigen Controller vorwiegend so still und bieder und leider oft so wirkungslos, wenn es darum geht, den Erfolg des Unternehmens zu fördern?

Der vorliegende Artikel plädiert für mehr Narrenkappen im Marketing-Controlling, für mehr schrille Schellenkleider und für mehr weithin sichtbare Halskrausen. Wir schwingen das Narrenzepter und zeigen damit auf mögliche Missstände und Verbesserungsmassnahmen in Ihrer Marketing-Budgetierung 2004.

Dem Hofnarren halfen die Hofgelehrten und so war es auch mit diesem Artikel. Es ist ja nicht gerade so, dass man sich an den Universitäten der Schweiz auf das Thema Marketing-Controlling stürzt. Löblichste Ausnahme ist Dr. Sven Reinecke mit dem von ihm geleiteten HSG Kompetenzzentrum "Marketingplanung und -controlling", der hier mit seinem breiten Fachwissen viel beigesteuert hat. Insbesondere stammt von ihm die Anregung, Controlling auch als "Contre Rôle" zu verstehen. Aber auch den Professoren Martial Pasquier von der Universität Lausanne oder Rudolf Grünig von der Universität Fribourg sei an dieser Stelle herzlichst für ihren profunden Input gedankt.

Marketingcontrolling stärker

"Das Controlling nimmt insgesamt an Bedeutung zu, im Marketing ist davon aber noch wenig zu sehen", so bringt Martial Pasquier den aktuellen Stand des Marketingcontrollings auf den Punkt. Das hat auch marketingimmanente Gründe: "Bei einem schweizerischen Grossunternehmen wurde eine weltweite, integrative Kostenrechnung eingeführt. Alles konnte zugeordnet werden, nur nicht die Marketing-Kosten. Wie sind z.B. die Kosten einer wichtigen Sponsoringmassnahme auf die einzelnen Produkte zuzuteilen? Wie misst man die Wirkung solcher Massnahmen? Die Integration sämtlicher Messkriterien in einem Controllingsystem ist leider selten zu sehen."

Sven Reinecke stellte uns freundlicherweise seine Sicht der aktuellen Entwicklung im Marketingcontrolling zur Verfügung. (Vgl. Textbox "5 zentrale Entwicklungen im Marketingcontrolling"). Auffallend ist eine zunehmende Marktorientiertheit des Marketingcontrollings selbst, besonders in der zeitlichen Dimension: "Controlling muss nach vorne schauen. So kann es auch Chancen früh erkennen und die möglichen Massnahmen zu ihrer Nutzung aufzeigen".

Es macht allerdings wenig Sinn, wenn der Controller zur "Grauen Eminenz", zum eigentlichen Machtzentrum des Unternehmens wird. "Der Controller soll ruhig ‚Therapievorschläge‘ machen. Den Entscheid muss er aber den Managern überlassen." Zu gross sind heute die Versuchungen, EDV-gestützt und optisch ansprechend aufbereitet, das Cockpit selber fliegen lassen zu wollen. "Rein operativ ginge das wohl noch, aber strategisch macht es überhaupt keinen Sinn". Der Hofnarr und sein Narrenzepter sollen nicht selber regieren!

Marketingbudgets genauer

Budgets dienen in erster Linie der Steuerung des Liquiditätsflusses und nicht etwa der Darstellung der Macht von Divisionsleitern. Schon vor langem wurde der Beweis erbracht, dass ein gutes Controlling und eine darin eingebundene Planung eine enorme Budgetierungsgenauigkeit und entsprechende Vorteile nach sich ziehen.

cRKommunikation Küsnacht scheint eine der wenigen Kommunikationsagenturen zu sein, welche sich vor einem Controlling ihrer Aktivitäten nicht scheuen, sondern dieses sogar aktiv fördern. Stefan Gürtler und Thomas Löhrer verweisen dabei gerne auf den Warsteiner/Jever-Case: "Als Warsteiner/Jever mit Controlling ernsthaft anfingen, hatten sie schon eine Planungsgenauigkeit von +/-10%. Fünf Jahre später lag die Planungsgenauigkeit bei +/-0.5%!" Das ist nicht nur schön, sondern es lohnt sich auch: Der Mitteleinsatz konnte so optimiert werden, dass immer der maximal erreichbare Marktanteil ausgeschöpft werden konnte, ohne bei den Kosten übers Ziel hinaus zu schiessen.

Wie aber erreicht man eine solche Planungs- und Budgetierungsgenauigkeit? Das wohl Wichtigste ist die Einbindung in ein stufengerechtes Controllingkonzept. Rudolf Grünig kennt die Situation als Controlling-Experte: "Viele Firmen haben überhaupt kein Controlling-Konzept. Und so wird auf den verschiedensten Stufen ein ungeheurer, sehr kostspieliger Wust an Zahlen produziert. Diese Zahlen haben miteinander nichts zu tun und nützen der Entscheidungsfindung wenig!" Er plädiert deswegen für ein in sich stimmiges Controllingkonzept, welches klar in strategische, operative und taktische Fragestellungen unterteilt und diese inhaltlich (was?), formal (wie?) und organisatorisch (wer?, wann?) optimal zu beantworten sucht.

Die Forderung nach einem Controllingkonzept (häufig auch "Controllingsystem" genannt), wird in der Fachliteratur seit längerem gestellt. Nur dadurch lässt sich auch die effizienteste Form des Controllings, nämlich das Selbst-Controlling verwirklichen. Nur so lassen sich auch die gewünschten Lerneffekte bewerkstelligen, auf die das Controlling insgesamt abzielt.

Es erstaunt allerdings, dass die geforderten Controllingsysteme immer top-down aufgebaut sind: Von der Strategie über die Mittel zur Taktik. Im Marketing hat sich die Einsicht eingestellt, dass ein gutes Konzept immer sowohl top-down wie bottom-up aufgebaut sein muss: Zuerst die funktionierende taktische Stärke finden, dann die Strategie dazu formulieren und diese über die Mittel in die taktischen Massnahmen herunterbrechen. Derzeit muss die Antwort offenbleiben, wie denn ein zuerst auf dem taktischen Controlling aufgebautes Controllingkonzept aussehen müsste. Eines ist allerdings klar: Ein solches Controlling kann man weder "Selbst fliegenden Cockpits" noch "Grauen Feldmäusen" überlassen. Ein solches Controlling braucht marketingerfahrene Controller, die sich als echte Hofnarren verstehen und provokant und proaktiv agieren.

 

5 zentrale Entwicklungen im Marketingcontrolling

 

Quelle: Dr. Sven Reinecke, Leiter Kompetenzzentrum "Marketingplanung und -controlling" am Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen

 

  • Steuerungsziel: Von der buchhalterischen Registrierung von Abweichungen (ex post Kontrolle) zu einer managementorientierten Verbesserung (Regelkreis).

 

  • Ausrichtung & Format: Von der internen, primär monetären Ausrichtung (Accounting) zum stärkeren Einbezug der externen Ausrichtung (Markt) und nichtmonetärer Grössen.

 

  • Zeit: Von der Frühwarnung über die Früherkennung zur Frühaufklärung.

 

  • Verfahren: Von eher statischen zu dynamischen Verfahren.

 

  • Dimension: Vom umsatz- zum ereignisorientierten Marketingcontrolling.

 

Tips für Marketing-Controlling und Marketing-Budgetierung 2004

 

  • Erstellen Sie ein Controllingkonzept für Ihr Marketing. Lassen Sie darin auch externe Faktoren einfliessen. Und besonders: Seien Sie sparsam, setzen Sie Schwerpunkte auch im Controlling.

 

  • Achten Sie darauf, dass Ihr Controlling dem Selbst-Controlling auf allen Stufen dienlich ist. Jeder Mitarbeiter sollte diejenigen Informationen erhalten können, die ihm erlauben, für die Zukunft zu lernen.

 

  • Lassen Sie’s nicht mit der einmal jährlichen Budgetierung bewenden, sondern binden Sie die Budgetierung in Regelkreise ein, welche Lerneffekte und konstante Optimierung nach sich ziehen.

 

  • Verstehen Sie den Marketingcontroller als einen Hofnarren, der unangenehme Fragen stellen muss. Es ist seine Funktion, Entscheide vorzubereiten und sie auch konstant zu hinterfragen.

 

  • Versuchen Sie als Unternehmer oder Manager nicht, Ihr eigener "Hofnarr" zu sein. Stellen Sie jemanden ein oder sourcen Sie diese wichtige Funktion aus.

 

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