Publiziert in Marketingbrain
Ein Paradigmen-Wechsel ist im Gange: Das meist etwas stiefmütterlich auf der taktischen Ebene abgehandelte Stammkunden-Marketing wird zur unternehmerischen Grundhaltung ausgebaut. Frederick F. Reichheld leistete mit seinem Buch "The Loyalty Effect" wichtige Vorarbeit.
"Guten Tag, ich interessiere mich für den Neukunden-Rabatt". "Gehen Sie bitte zur Konkurrenz!" Das könnte die Quintessenz dessen sein, was Frederick F. Reichheld in seinem leider nur in englischer Sprache erschienenen Buch "The Loyalty Effect" auf über 300 Seiten detailliert beschreibt: Die grundsätzliche Ausrichtung der gesamten Unternehmung auf langfristige Beziehungen - zu den Kunden, zu den Mitarbeitern und zu den Kapitalgebern.
Das Buch ist dazu angetan, einen Paradigmenwechsel im Marketing herbeizuführen, wie seinerzeit "Bottom-up-Marketing" von Ries&Trout. Die Fachtagung von Post und Handelszeitung vom 25. September "Brands & Relations: Wie die Beziehungspflege zum Kunden Mehrwert für Ihre Marke schafft" zeigte aber auch auf, dass die Therorie der Praxis in diesem Bereich weit voraus ist.
Loyalty-based-Management: Mehr eine Grundhaltung als eine Marketing-Taktik
In jedem Lehrbuch über Marketing gibt es auch eine Sektion "Stammkunden-Marketing. Unsere guten treuen Kunden pflegen". Zumeist ist das betreffende Kapitel im Bereich der Marketing-Taktik angesiedelt. Und dabei, wenn man es sich genau überlegt - und Reichheld hat es sich in beispielloser Klarheit genau überlegt - müsste es eigentlich ganz vorne in der Marketing-Politik erscheinen: Nur derjenige soll Kunde werden, der auch das Potential zum langfristigen Kunden hat. Und genauso: Nur derjenige soll Mitarbeiter werden, nur derjenige soll Kapitalgeber werden, der es auch lange bleiben wird.
Am Anfang steht also die Frage: "Ist das ein Ex-und-hopp-Kunde, der nur Aufwand und keinen Gewinn verursacht, oder können wir mit ihm eine langfristige, faire Partnerschaft aufbauen, die eine Win-Win-Situation herbeiführt?" Wer das Buch von Reichheld gelesen hat, und dazu ist es halt notwendig, die 300 Seiten hochstehendes Englisch durchzuackern, der hat diese Frage im Hinterkopf.
Eindeutige Gründe, klar belegt.
Der grundlegende Beweis, und er ist nur einer von vielen, wird von Reicchheld am Beispiel von Kreditkarteninstituten geführt.
Zur Erläuterung:
Viele praktische Beispiele
Das Buch liefert viele zum Teil sehr verblüffende Beispiele. Hier nur eines ganz kurz: Eine auf Motorrad-Versicherungen spezialisierte Gesellschaft stellt fest, dass die Art, wie Motorrad gefahren wird, mit der Art, wie die dazu benötigte Versicherung eingkeauft wird, hoch korreliert ist. Wer im Frühling die Hauptstrasse längsschlendert und mal kurz ins Versicherungsbüro reinschlendert um die Versicherung abzuschliessen, der läuft auch Gefahr, die darauf folgende Fahrt ins Grüne mit einer kleinen Organspende abzuschliessen. Und was macht die Versicherungsgesellschaft darauf? Sie schliesst alle ihre 1A-Lagen und zieht ihre Verkaufsstellen in Nicht-Passanten-Lagen zurück. Nur der Kunde, der seine Versicherung genau evaluiert, wird auch ein guter Kunde für sie sein.
Dies ist nur eines von vielen Beispielen, die das Buch verdankenswerterweise enthält. Denn nur durch das ständige Aufzeigen der praktischen Konsequenzen wird klar, dass hinter allem ein grosses Bild, eine unternehmerische Grundhaltung steht.
Das grosse Bild - die Langzeitperspektive
Das grosse Bild wird durch die Grafik sehr anschaulich wiedergegeben. Dabei wird klar, dass sich Loyalty-based-Management über alle Bereiche einer Unternehmung erstreckt. Und natürlich, dass der erhöhte Kundennutzen im Zentrum steht.
Es wird aber auch klar, dass Loyalty based management und daraus abgeleitet Relationship Marketing nur unter einer extremen Langzeitperspektive angegangen werden dürfen. An oben angesprochenen Fachtagung war deswegen der Satz von Bernhard Rutz (Bankverein Key Club und Autoprofit) genau richtig: "Schon nach 33 Monaten ist klar, dass sich der Key Club gelohnt hat". Nach 33 Monaten - schon!
Frederick F. Reichheld: The Loyalty Effect. Harvard Business School Press, Boston Massachusetts, USA, 1996. ISBN 0-87584-448-0
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