Die Internet-Auftritte der Kommunikations-Branche
Altlasten in Cyberworld
Publiziert in Produktion+Print Nr. 12, Dezember 1996
Der elfte Marketing-Test untersucht die Internet-Auftritte von Firmen der Kommunikations-Branche. Das Ergebnis ist erschütternd. Der Internet-Benutzer bekommt für teures Geld Informationen, die er nicht will und die ihm nichts nützen. Aus den meisten der untersuchten Web-Sites ist herauszulesen, dass sie früher mit viel mehr Elan konzipiert wurden, als heute für die Umsetzung noch aufgebracht werden kann. Die Folge ist, dass sie sich zu Cyber-Altlasten entwickelt haben.
"Marketing betrifft alles, was Kunde und Umwelt von der Unternehmung sieht und hört". Unter diesem Motto führten wir schon zehn Marketing-Tests durch. Der heutige elfte untersucht nun eine ganz spezielle Form dessen, was Marketing betrifft: Die Internet-Auftritte. Ich spreche dabei aus recht schmerzlicher eigener Erfahrung, habe ich doch vor gut einem Jahr für meine Marketing-Beratung eine Cyber-Altlast eingerichtet, von der ich mich heute nur nicht trennen mag, weil ich damals so stolz war, die Adresse "http://www.tpz.ch/base" auf alle meine Visitenkarten und Briefpapiere zu drucken. Ich wollte, ich hätte es nicht getan. Natürlich rede ich mich heute damit heraus, dass ich als One-man-show keinen zu grossen Aufwand betreiben kann, dass der Feedback aus dem Netz nahezu gleich Null war und überhaupt: Das Leben ging weiter, meine Selbstdarstellung im Netz blieb stehen. Doch sobald das Briefpapier aufgebraucht ist, werde ich die Adresse wohl löschen... (Anmerkung vom 24. Oktober 1997: Mittlerweile gottseidank geschehen...)
So wie es mir ging, ging's und geht es wohl auch den meisten der hier untersuchten Firmen. Fast alle ahnten zu Beginn ihres Internet-Projektes nicht, dass sie sich da auf ein ziemlich langes bzw. geradezu für die Ewigkeit angelegtes Abenteuer eingelassen haben, weil sie sich über eine banale Tatsache nicht im Klaren waren: Das Internet ist kein Webe-Medium, sondern ein Publikations-Organ! Wie wir im letzen Artikel zur kontinuierlichen Kommunikation schon besprochen haben, gehört zu Publikations-Organe ein sehr langer Atem, sonst sind sie geradezu kontraproduktiv.
Domains
Ich untersuchte für diesen Artikel nur sogenannte eigene Domains. Das bedeutet, dass man auf sich selber eine Second-Level-Domain eintragen lässt wie z.B. www.firma-x.ch. (ch beschreibt das erste Level, firma-x das zweite). Es ist besser, man hängt sich nicht irgendwo an, sondern hat die volle Verfügungsgewalt über die Domain. Viele, die sich irgendwo angehängt haben, haben damit schlechte Erfahrungen gemacht: Entweder der Partner machte Konkurs und die Adresse ging verloren oder sie wurde blockiert. Oder noch schlimmer: Kaum hatte man genügend in den Auftritt investiert und dessen Adresse auch überall abgedruckt, spielte der Provider Katz-und-Maus. Plötzlich vervielfachten sich die Preise und man hatte zum Ausscheren immer nur die Alternative, entweder die ganze Investition zu vergessen und neu aufzubauen oder das unangenehme Spiel weiter mitzumachen. Also: Nur eigene Domains, sonst wird's gefährlich!
Das haben mittlerweile schon recht viele begriffen: In der Schweiz sind derzeit knapp 11'000 Domains registriert, doch nur die wenigsten sind aktiv. (Ich frage mich wirklich, weshalb z.B. Sihl+Eika insgesamt 17 Domains auf sich angemeldet hat, aber nicht eine einzige davon aktiv ist). Doch wenden wir uns lieber den "aktiven" Domains zu. Aktiv bedeutet, dass unter der reservierten Adresse auch wirklich etwas zu sehen ist. Leider hatte es sich dann meist auch mit der Aktivität: Obwohl als aktiv eingetragen, meldete Reproscan (www.reproscan.ch) nur, man sei halt noch im Aufbau. Auch die Limmatdruck (www.limmatdruck.ch) hatte nur ein wenig sagendes Bild anzubieten. Sonderegger-Druck (www.sondereggerdruck.ch) ist noch mit gar nichts vorhanden, UKA Siebdruck (www.uka.ch) bildet einzig ein völlig nichtssagendes Bild ab. Auch Heliocopter (www.heliocopter.ch) bildet nur ein genauso langsames und nichtssagendes Bild ab und präsentiert einen Link auf eine Zusammenstellung von Firmen, deren Abfrage sich nicht lohnt, und die Dubach Werbeagentur (www.dubach.ch) meldet immerhin, sie sei Ende Oktober soweit. Tja, bei jedem EDV-Projekt gibt's Verzögerungen...
Damit hätten wir ein doch recht erstaunliches Resultat: Nur etwa fünf Prozent der reservierten Domains sind "aktiv" und von diesen sind rund die Hälfte "under construction" oder zumindest nicht viel weiter. Die virtuelle Welt ist auf die Schweizer Kommunikations-Branche bezogen also noch recht klein. Wenden wir uns nun denjenigen Firmen zu, die ihren Internet-Auftritt ausgebaut haben und die wissen sollten, worauf es ankommt.
Worauf es ankommt
Das Internet ist ein sehr spezielles Medium und hat seine eigenen Prinzipien. Die hauptsächlichsten, die es zu beachten gilt, sind die folgenden drei: Aktualität, Nützlichkeit, Interaktivität. Jeder, der eine Internet-Site auf die Beine stellt, sollte sich fragen: "Wie werde ich es schaffen, sie aktuell zu halten? Wo ist ihr Nutzen für den Internet-Benutzer und wie kann ich ihm Interaktivität bieten?"
Wenden wir uns den Fragen einzeln zu.
Aktualität
Stellen Sie sich vor, sie würden viermal jährlich dieselbe Kunden-Information verschicken. Ihre Kunden würden sie wohl sehr bald für belämmert halten. Im Internet geschieht aber genau dies. Die Side-by-Side Werbeagentur (www.sidebyside.ch) bietet auf ihrer Entry-Page (auch Home-Page genannt) stolz einen Buttom "News" an. Gute Absicht, schlechte Umsetzung! Diese News wurden am 23. August das letzte Mal verändert. "Was ist das für ein Laden, der so nichts Neues zu bieten hat?" muss man sich doch da fragen.
Internet-Sites entfalten ihre Wirkung nur, wenn der Benutzer sie immer und immer wieder besucht. Und dazu müsste er einen Grund haben. Aber wenn ich auf einer Site nach zwei Monaten immer noch die gleichen Inhalte und veralteten News sehe, so habe ich überhaupt keinen Grund, sie in meine Bookmarks (in meine Liste der gespeicherten Adressen) aufzunehmen.
Aktualität ist für das kontinuierliche Funktionieren einer Site unerlässlich. In der versierteren Web-Design-Praxis ist man dazu übergegangen, die News-Bestände in einer Datenbank abzulegen. Der Input für die Datenbank kann sehr einfach und ohne HTML-Programmmierkenntnisse z.B. aus einem normalen Textverarbeitungs-System heraus gemacht werden. So kann die Sekretärin, die Assistentin der Geschäftsleitung oder auch der Marketing-Leiter oder Geschäftsführer auf einfache Weise seine Internet-News selber aktualisieren. Alles andere ist ein "Krampf". Bei keiner der getesteten Sites konnte ich feststellen, dass für die aktuellen News eine Datenbank unterlegt wurde. Damit dürfte fehlende Aktualität vorprogrammiert sein.
Nützlichkeit
Wenn Sie selber auch schon im Internet gesurft haben, so wissen Sie: Das Internet ist eines der teuersten Informations-Medien überhaupt. Was haben Sie nicht in die Installation von Modem und Browser-Software investiert. Und dann laufen ja bei jeder Verbindung variable Kosten für die Telefonverbindung und den Dial-up (den Internet-Zugang) an. Die Kosten eines Fachmagazins sind im Verhältnis zur erhaltenen brauchbaren Information viel geringer. Wenn ich also als Internet-Benutzer eine Site anwähle, so will ich für die dabei entstandenen Kosten auch einen Nutzen haben.
Wie sieht dieser Nutzen aus? Sicher nicht so wie bei Fröhlich Druck (www.froehlich.ch), die unter der Rubrik "Angebot" beim Punkt Service sagt, dass sie das gleiche Angebot wie alle anderen Druckereien mit Druckvorstufe anbietet - ohne jegliche Spezifikation, dafür aber zusammen mit einem Stopp-Uhr-Bild, bei dem ich tunlichst nicht gemessen habe, wie lange es brauchte, bis es auf meinem Bildschirm erschien. Aehnlich geht's mit der Zürichsee-Druckerei (www.zsd.ch) und besonders mit Kaspar Druck (www.kaspar.ch) wo ich schon hoffte, bei den spärlich realisierten Angebots-Einträgen etwas Konkretes zu finden. Weit gefehlt: Die Zusatzinformationen und Preise gibt's dann im Dezember.
Andere bieten schon etwas mehr Information und legen gleich den ganzen Katalog ab. Doch Vorsicht: Weniger kann hier mehr sein. BDW-Werbung z.B. legt in sehr komplizierter Weise ihren "Katalog", d.h. ihr gesamtes Leistungsspektrum ab. Dass ich erst nach mehrfachem Anklicken von äusserst bild-lastigen und deswegen sehr langsamen Seiten erfahre, dass diese Werbe-Agentur auch Image-Broschüren macht, veranlasst mich nun noch nicht zu Freuden-Sprüngen. Den gesamten Katalog sollte man nur abbilden, wenn dieser gespickt ist mit Spezialitäten und wenn man auch die Kraft bzw. die Mittel hat, diesen aktuell zu halten.
Nützlichkeit hat immer etwas mit dem subjektiven Betrachter-Nutzen zu tun. Etwas Spass, einwenig überraschende Gestaltung kann auch schon Nutzen sein. Herzog Druck (www.herzogdruck.ch) ist in diese Richtung einen ersten Schritt gegangen. Leider ist es bei diesem Schritt auch geblieben. Das mit viel zu viel Text gefüllte Layout wurde nicht durchgehalten. Die witzige Ansprache mit Gutenberg kommt nicht weit über die erste Seite hinaus.
Es bringt nichts, den Internet-Benutzer im Regen stehen zu lassen. Wie bei aller kontinuierlichen Kommunikation sollte man sich nur an potentielle und effektive Kunden richten, wenn man auch etwas Spezielles zu sagen hat. Nur "Wir sind wie alle anderen, kaufen Sie deswegen bei uns" bringt da überhaupt nichts und der Kunde ärgert sich über vom Absender verschwendetes Papier bei gedruckten Informationen oder noch schlimmer über falsch eingesetztes eigenes Geld beim Internet.
Interaktivität
Interaktivität ist nicht einfach der "Coupon", das Feedback-Mail! Interaktivität ist zuerst einmal die Benutzerführung, wo der Benutzer selbst bestimmen kann, wie bzw. über welche Pfade er die Site besucht. Dazu muss man Frame-Technologie und unterlegte Datenbanken beherrschen - eine hohe Schule des Web-Design.
Ein bisschen ist Interaktivität bei Reproschicker (www.reproschicker.ch) angelegt. Man erfährt schon auf der ersten Seite eine Spezialität, ein Tool zum Beschriften von CD-Roms und kann auch mit einem Klick auf den Formular-Button online bestellen. Doch echte Interaktivität ist dies noch lange nicht.
Etwas mehr davon findet man bei der Reprotechnik Kloten (www.rtk.ch). Dies ist die mit Abstand lebendigste und interaktivste Site, die ich bei meiner Suche gefunden habe. Die RTK publiziert darauf immer wieder etwas Neues. Man merkt, hier sind Leute am Werk, die auf Aktualität und Nützlichkeit achten. Und immerhin, es gibt auch immer wieder etwas Neues (wie z.B. aktuelle Internet-Software) zum Herunterladen. Diese Site werde ich sicher immer wieder besuchen, auch wenn sie mit ihrem Design hinter ihrer Komplexität herhinkt. Wenn ich nur via streng vorgegebene Pfade zu meiner Information komme, so kann besteht die Gefahr, dass ich sie nicht abschreiten mag und deswegen zu früh abbreche. Wächst die RTK-Site mehr, so vergrössert sich auch diese Gefahr.
Damit hätten wir die bestehenden Internet-Auftritte der Schweizer Kommunikationsbranche abgehandelt. Mehr ist derzeit bei den Domains der Kommunikations-Branche nicht zu finden.
Und wie steht's mit Ihrem Internet-Auftritt?
Was können Sie tun?
Ich persönlich sehe ein grosses weiteres Wachstum des Internets auf uns zukommen. Versiertere Sites, schnellere Connections und verwöhntere Internet-Benutzer werden die Zukunft der Cyber-Welt kennzeichnen. Wenn Sie sich heute darauf einstellen wollen, so sollten Sie die folgenden Punkte beachten:
PS: Ich habe vorsichtshalber die Domain "www.base.ch" reserviert. Vielleicht überlege ich's mir auch noch. (Habe ich auch!)
BASE-Marketing Dr. oec. HSG Luzi Rageth, Birmensdorferstrasse 470, 8055 Zürich Home |