Grossverteiler-Marketing: Zum Beispiel Blox-Riegel der Migros

Marketing durchgebloxt

Publiziert in Produktion+Print Nr. 4, April 1997

Die Migros hat ihre Schoko-Riegel unter eine einheitliche Marke gestellt: Blox. Die Aktion lief letzten Herbst in den Läden an. Die Marktanteile haben sich in der Zwischenzeit um 10% zugunsten der Migros verschoben - ein richtiges Erdbeben im Riegel-Markt. Ohne versiertes Marketing wäre das nicht möglich gewesen. Zeit für Produktion+Print, sich die Sache und gleichzeitig die Marketingproblematik der Grossverteiler genauer anzusehen.

Preis-aggressive Me-too-Produkte (Kopien von Marken-Artikeln) und eine starke Logistik haben die Migros gross gemacht. Wer erinnert sich noch an das O-Hä (ohne Henkel) Waschmittel oder den koffeinfreien Zaun (anstatt Hag) Kaffee?

 

Eigenmarken oder Fremdmarken?

Unzufrieden mit ihren Marktanteilen bei den Schoko-Riegeln sah sich die Migros bzw. ihre Schokoladen-Tochter Frey nach einer besseren Lösung um. Der Schokoladen-Markt insgesamt ist rückläufig, bei Schokoriegeln aber leicht wachsend. Und wo die Migros nicht 30% Marktanteil hat, da ist sie unzufrieden.

Hätte früher die Antwort im Aufbau dieser wohlbekannten, wenn auch etwas langweiligen Mio-X Marken gelegen, heute ist die Situation differenzierter. Die Migros nimmt sehr gerne gute Marken in ihr Sortiment auf, z.B. Electronic-Bereich, oder in letzter Zeit auch Levis Jeans und Pepsi. Zumeist ist eine solche Aufnahme ins Sortiment an eine mindestens partielle Exklusivität geknüpft: Völlige Exklusivität wie bei Del Monte Fruchtkonserven, zumindest exklusive Modelle oder im Fall von Pepsi spezielle Gebinde. Was wäre einfacher gewesen, als einfach bei Effems (einer der stärksten Marken-Firmen der Welt mit Schwerpunkt auf Schoko-Produkte und Tierfutter) oder bei Nestlé anzuklopfen? Von Nestlé vertreibt man ja schon Smarties, da hätte man doch mindestens Lion, Nuts und Chokito aufnehmen können? Doch diese Marken sind zu stark, und eine partielle Exklusivität hätte wenig Sinn gemacht: Nuts nur im Fünfer-Pack - wer will das schon?

 

Me-too oder Innovation?

Wer Me-too-Produkte verkauft, muss bei diesen deutlich billiger sein als die Vorbilder. Da aber die Migros nicht mehr als der günstigste Grossverteiler gilt (dagegen geht sie neuerdings mit ihren Budget-Produkten an), muss sie schon seit Jahren auch auf Innovation setzen. Ein Weg, der bei den Schokoriegeln nur vordergründig nicht beschritten wurde (vgl. Interview). Die Migros entschied sich zumindest beim Auftritt fürs Kopieren, Angleichen.

 

Dachmarke oder Einzelmarken?

Nun stellte sich die Frage, ob die Vorbilder mit je einzelnen Marken anzugreifen sind. Hier hat die Migros als nationaler Verteiler ein Problem (das sich Effems und Nestlé zunutze machen können): Allein für die Schweiz, d.h. für ein Gesamtmarkt-Volumen von rund Fr. 60 Mio, fünf Marken aufzubauen, lohnt sich nicht. Deshalb wurde alles unter die einheitliche Marke „Blox" gestellt. Eine Ausnahme bildet die bestehende (und nun überarbeitete) Chokito-Kopie Risoletto. Hier lag man schon seit Jahren umsatzmässig vor dem Vorbild: Why change a winning horse?

 

Marketing-Wurf oder -Prozess?

Nicht, dass es ihn im Marketing nicht auch geben würde, den grossen Wurf: Idee, Produkt-Entwicklung, Produktion, Cross-your-fingers und raus damit. Auf den Markt. Fiebern, zweifeln. Dann: Erfolg. Swatch war so eine Wurf-Geschichte. Doch die sind selten. In der Praxis bewährt sich Marketing als Prozess: Rollende Planung, Entwicklungs-Schlaufen, ständiges Nachtesten. So machte es auch die Migros.

Dass solch ein Prozess keineswegs langsamer sein muss als der Wurf, beweist das Beispiel Blox: Projekt-Start im Oktober 95, Produkt-Entwicklung ab Frühjahr 96, Lancierung im September 96; insgesamt also gerade ein Jahr und dazwischen immer wieder Marktforschungs-Schlaufen. Das ist rekordverdächtig schnell.

 

Marktforschung wie?

Am Anfang stand bei Chocolat Frey eine Studie zum Gesamtmarkt. Ein Resultat dieser Studie waren die Wachstumsraten bei den Schokoriegeln, bei denen die Migros nicht mithalten konnte. Es folgte eine zweite Studie speziell zu den Schokoriegeln. Diese deckte die Lücken im eigenen Sortiment auf, lieferte Daten zu den Präferenzen der Zielgruppen und stellte Diagnosen. Eine dritte Studie hatte den Auftrag, verschiedene Namen, Produkte und deren Design zu testen. Insgesamt also drei Marktforschungen, bevor das Produkt lanciert wurde. Damit nicht genug: Fünf Wochen nach der Lancierung wurde eine erste Kontroll-Messung durchgeführt: Bekanntheit, Anzahl Käufe, Wiederkaufs-Wahrscheinlichkeit wurden nach Käufergruppen differenziert erhoben.

 

Wie lancieren?

Nicht nur betreffend Marktforschung hatten es die Leute von Migros und Chocolat Frey im Griff, sondern auch die Lancierung wurde professionell angegangen:

 

Und jetzt?

Heute laufen die Blox in einem Umfang, dass es schon fast zu Lieferengpässen kommt. Und dass die Blox in den Läden nicht ausgehen, dafür hat die Migros ihre sehr schlagkräftige Logistik. Nur diese erlaubt es, ab Bestellung zwei Wochen zur Produktion und danach maximal 28 Wochen Verkaufsfrist in den 560 Migros-Filialen der Schweiz einzusetzen. Das ist auch qualitativ ein eindeutiger Gewinn für die Riegel, denn Frische ist in diesem Bereich von entscheidender Bedeutung.

Bezüglich Werbung scheinen sich die Erfahrungen als positiv erwiesen zu haben. Nach anfänglicher Bekanntmachung des Namens Blox stehen nun die Riegel im Vordergrund. Geworben wird mittels Plakatstellen und in Zielgruppen-nahen Print-Medien. Dadurch werden die Blox auch weiter im Markt durchgeboxt.

 

Was können Sie tun?

 

Die wichtigsten Schokoriegel
 

Hersteller

Name bei Migros

Preis / 100g am Kiosk

Preis / 100g bei der Migros

Differenz

Mars Effems Blox Candy  

Fr. 1.17

-43%

Snickers Effems Blox Peanuts

Fr. 1.87

Fr. 1.17

-37%

Lion Nestlé Blox Crunchy  

Fr. 2.00

-36%

Bounty Effems Blox Cocos  

Fr. 1.40

-43%

Nuts Nestlé Blox Peanuts  

Fr. 1.17

-58%

Chokito Nestlé Risoletto  

Fr. 1.19

-57%

 

Interview mit den Blox-Verantwortlichen

Mütter hören auf ihre Kinder

Produktion+Print interviewte Frau Maja Niederhäuser, Leiterin Verkauf / Logistik und Herrn Wolfgang Brokatzky, Geschäftsleiter bei der Chocolat Frey AG.

Herr Brokatzky, warum haben Sie Blox gerade jetzt lanciert?

Auslöser war eine umfassende Marktstudie zum Schokoladen-Markt. Dabei wurde insgesamt ein rückläufiger Markt mit einer intensivierten Konkurrenz festgestellt. Nur der Schokoriegel-Markt expandiert leicht mit 2 - 3 Prozent jährlich. Und wir waren darin mit unserem einzigen Produkt keine Key-Players.

Signalisieren die Blox einen Rückschritt ins klassische Me-too-Marketing der Migros?

Wir haben - als Anfang - in erster Linie den Markt da gesucht, wo er schon ist. Und wir haben ihn ja auch gefunden! Selten hat eine Lancierung bei Migros und Chocolat Frey soviel Euphorie ausgelöst, wie die Blox. Dass es dabei nicht unbedingt bleiben wird, darüber möchten wir uns heute noch nicht vertieft äussern. Und noch etwas: Es ist ungemein schwierig, im Food-Bereich zu kopieren. Selbst wenn wir gewollt hätten, wäre das uns nur sehr schwer gelungen. Unsere Blox sind geschmacklich eigenständig. Wir haben nur die Typologie der Schokoriegel übertragen.

Frau Niederhäuser, warum gerade der Name Blox?

Der Zielkonsument von Schokoriegeln ist jung, sportlich, braucht Energie und kauft spontan. Das ist nicht der klassische Migros-Kunde. Wir suchten nach einem Namen, der unseren Zielkonsumenten anspricht. Und dachten, wir hätten ihn mit Mega schon gefunden. In der Marktstudie mit Käufern (Müttern) und Konsumenten stellten wir fest, dass Mega bei den Konsumenten schon out ist. Obwohl er die Käufer, d.h. die Mütter ansprach. Und dann passierte etwas Interessantes innerhalb des Evaluations-Workshops. Plötzlich fanden die Mütter den Namen Mega auch schlecht - sie hören offensichtlich auf ihre Kinder. Deswegen wählten wir einen Namen, der in erster Linie die Verwender anspricht.

Warum der massive Werbedruck auf Produkte-Ebene?

Normalerweise betreibt die Migros eine intensive Dachwerbung. Das ist richtig. Hier bei Blox hängt der verstärkte Werbeeinsatz auf Produkt-Ebene einerseits mit der Zielgruppe und andererseits besonders mit der Kaufsituation zusammen. Hat der Konsument einen kleinen Hunger zwischendurch, so kauft er sich seinen Riegel. Und dann muss er wissen, dass es in der Migros Blox gibt.

 

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