Was bildet die Basis guten Marketings?
Publiziert in IO-Management, 65 (1996) Nr. 6
Marketing zeichnet sich schon immer durch Innovation und steten Wandel aus. Hier wird untersucht, welche als grundlegend angesehenen Annahmen des Marketings heute zu hinterfragen sind. Dabei wird aufgezeigt, welche neuen Ansprüche an das Marketing zu stellen sind und besonders auch, welche Kon sequenzen dies für externe Marketing-Berater und interne Marketing-Mitarbeiter nach sich zieht.
Marketing basiert...
Jede menschliche Tätigkeit von Wert hat eine Basis. Ohne diese Basis ist sie ein Zufallsereignis, vielleicht eine instinktive Reaktion, doch sie zeugt nicht von Handwerk, von Bestand, von Können. Marketing, wie es hier verstanden wird, ist jedoch ein Können. Es erfordert viel Wissen, noch mehr Einfühlungsvermögen und besonders auch Erfahrung. Marketing, wie es hier verstanden wird, basiert: Es basiert auf Annahmen, es basiert auf der spezifischen Berücksichtigung von Fähigkeiten und von Umständen. Es basiert auf Können.
Zuerst zu den Annahmen. Die Marketingliteratur ist voll davon. Einige dieser Annahmen sind gut belegt und einfach zu verstehen, andere wiederum sind schon etwas komplizierter und erfordern Ausbildung sowie vertieftes Verständnis. Wieder andere sind reine Glaubenssache. Und nochmals andere werden norma lerweise gar nicht hinterfragt. Diese letzteren gelten als die Basis des Marketings.
Einige dieser bisher gültigen Basis-Annahmen werden hier zuerst in den Punkten 'Tausch', 'Kundenorientie rung' und 'strategische Ausrichtung' untersucht.
... auf Tausch?
Marketing vereinfacht, beschleunigt, ermöglicht, aktiviert, verzaubert, idealisiert etc. den Tausch. So sieht es der Marketing-Papst Kotler und die gesamte Marketing-Literatur. Doch: Ist das wirklich die Basis und nicht nur ein Effekt? Geht es wirklich um Tausch, um Verkaufen, oder nicht um viel mehr? Stellt man den Tausch als Basis des Marketings in Frage, so muss man einen Schritt weiter zurückgehen: Auf die Bedürfnisse. Denn es sind unsere Bedürfnisse, welche unser Empfinden und unser Handeln lenken.
Der Unterschied mag ein kleiner sein, er scheint mir jedoch grundlegend: Marketing basiert auf der Möglichkeit von gemeinsamer, voneinander abhängiger Befriedigung von Bedürfnissen. Diese kann Tauschprozesse auslösen, sie kann sie aber gerade auch verhindern. Marketing basiert demzufolge nicht nur darauf, dass Tauschprozesse ausgeführt werden, sondern z.T. auch darauf, dass sie gerade nicht stattfinden. Doch davon später mehr.
... auf der Ausrichtung gegen aussen, den Markt?
Wer kennt sie nicht, die Marketing-Definitionen, welche die Ausrichtung gegen aussen betonen? Marktgerichtetheit und Marktgerechtigkeit der Unternehmungspolitik werden gefordert. Marketing stellt den "Umgang mit Märkten" dar. Es ist ganz klar, dass dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden darf. Deswegen heisst Marketing ja auch Marketing. Der äussere Markt ist bestimmend. So wie auch wir uns als überlebensfähige Lebewesen nach den Umweltbedingungen ausrichten müssen. Und es sind diese Umweltbedingungen, welche unser Tun definieren. Oder etwa nicht?
Ich glaube, jeder von uns hätte Mühe damit, sich so durch und durch als fremdbestimmt anzusehen. Klar geben wir zu, dass äussere Faktoren für unser Handeln eine grosse Rolle spielen - wir sind ja nicht dummdreist. Doch was uns auszeichnet, das orten wir bei uns selbst, in unserem Innern. Wieso wollen wir dies nicht auch unseren Marketing-Aktivitäten zugestehen? Diese wirken nicht nur gegen aussen, sondern ganz stark auch gegen innen. Sie sind durch Aeusseres und Inneres motiviert. Das macht das Salz in der Suppe aus! Doch auch davon später mehr.
... zuerst auf der richtigen Strategie?
Strategie zuerst! Sonst wedelt der Schwanz mit dem Hund! Sonst sieht man nur viele Bäume, doch keinen Wald! Sollte man da nicht fragen: Sonst bricht das Weltbild gewisser besonders hierarchiegläubiger Herren zusammen? Ich kenne das aus nächster Erfahrung: Die 'richtige' Strategie wird meistens gerade dann am lautesten betont, wenn es mit der Taktik nicht hinhaut. Was würden wir von einem Menschen halten, der sich zwar grosse Ziele in bedeutungsschweren Worten setzt, doch mit den Dingen des täglichen Lebens überhaupt nicht zurechtkommt? Diesen "Professor Unrat" würden wir wohl auslachen. Und wenn Marketing oft auch mit Lachen zu tun hat, so doch sicher nicht mit diesem.
Die Trennung von Strategie und Taktik basiert auf der Feldherren-Logik, dass jemand sagt, wohin es geht, und jemand anderes diesen Entscheid umsetzt. Und diese Loslösung der Strategie von der Taktik, diese Trennung von Entscheid und effektivem Erfolg, hat natürlich für einige Leute ihren Reiz. Doch nicht für den Unternehmer im Klein- und Mittelbetrieb, nicht für das Marketing, wie es hier verstanden wird!
Gegenüber den bisher infrage gestellten Annahmen sollen hier nun andere Punkte eines aktuellen und effizienten Marketings hervorgehoben werden: die USP als Ausgangspunkt, die Datenbasis, die Um setzungs-Orientierung.
... auf der im Konzept eingebundenen taktischen USP.
Strategie ist nicht von der Taktik losgelöste Ziel-Vorgabe, sondern Bündelung der taktischen Kräfte. Auch im Marketing fängt alles bei den Grundmauern an. Wer keine (objektive oder subjektive) USP (Unique selling proposition = einzigartiges Verkaufsargument) hat, wird über kurz oder lang nicht überleben. Zwar wäre jeder gerne der billigste, schnellste und qualitativ beste Anbieter, doch wirft dies selten den nötigen Gewinn ab. Das ist der Grund, weshalb die im Vergleich zur Konkurrenz entwickelte USP in ein Konzept eingebunden werden muss, worin "eines zum anderen" passt: Die hohe Qualität muss z.B. zu einem tra genden Preis, mittels der richtigen Kommunikation und über die geeigneten Kanäle verkauft werden. Und der billige Preis verträgt keine Produkt-Vergoldung!
Konzeptionell heisst "lebensfähig, mit Hand und Fuss". In einem konzeptionellen Marketing sind die vier P (product, price, promotion, placement) und die dafür benötigte Infrastruktur sowie die Personalführung in einen taktischen Plan eingebunden, in dem wie bei einem Puzzle alles ineinanderpasst. Und Aus gangspunkt ist immer die einzelne, im Konkurrenzumfeld sich durchsetzende Aktion.
... auf der sauberen Datenbasis.
Welcher Unternehmer kann wirklich sagen, dass er seinen Markt kennt? Wer hat wirklich neben einer funktionierenden Adress-Datei eine sauber geführte Konkurrenz- und Marktdaten-Datei? Wer betreibt aktives Marketing-Controlling? Noch zu oft trifft z.B. man die Haltung an: "Ist mir doch egal, was meine Konkurrenten machen". Doch den Kunden ist es nie egal, was die Konkurrenz zu bieten hat. Und deswegen ist es unabdingbar, dass man seine Datenbasis zusammenhält und an ihr arbeitet. Nur durch sie lassen sich auch die sich täglich anbietenden Alternativen bewerten. Nur damit lässt sich eine Unternehmung unter Kontrolle halten. Denn es ist eine alte Weisheit, dass sich die meisten Flops hätten vermeiden lassen, wenn man vorher nur genügend die Alternativen geprüft hätte. Und zur Alternativen-Bewertung braucht man eine saubere Datenbasis.
... auf der Umsetzung.
"Der Schnaps war gut, doch das Gehackte war verdorben", so übersetzte ein Sprachcomputer den Spruch "der Geist war willig, doch das Fleisch war schwach". Es kommt eben auf die Umsetzung an. Wenn wir in ein Geschäft gehen, um etwas zu kaufen, so interessieren uns die dahinterstehenden Gedanken (ausser sie sind, wie z.B. bei Drittwelt-Kaffee, Bestandteil des Produktes) überhaupt nicht. Wir wollen das Produkt, das hält, was es verspricht. Jeder Unternehmer, der mit Grossfirmen in Konkurrenz ist, (und das ist heute annähernd jeder), stimmt zu, dass seine Produkte und sein Service genauso professionell gemacht sein müssen, als kämen sie vom Grossbetrieb. Und für das restliche Marketing soll dies nicht gelten?
Was das Marketing von Klein- und Mittelbetrieben zumeist behindert, ist die Antwort auf die Frage: Wer macht's? Die Marketing-Funktion eines Betriebes mit 50 bis 100 Mitarbeitern lässt sich in einem halben Tag pro Woche betreuen. Selten ist der Verkaufs-Leiter oder der Geschäftsführer in seinem Marketing-Denken und besonders in seiner Marketing-Ausbildung so weit fortgeschritten, dass er das Marketing genauso professionell handhaben kann wie seine sonstigen Aufgaben. Ein externer Marketing-Leiter oder ein Marketing-Coach kann durch Outsourcing diese Lücke schliessen.
... auf Spass und Lebensfreude.
Marketing ist Teil der Lebens- und Ueberlebenskunst. Deswegen wurden anfangs die Tausch-Basis und die Aussenorientierung hinterfragt: Marketing basiert nicht nur auf Tausch, sondern in hohem Masse auf Lebensfreude, welche Tauschakte bewirken kann und die durch diese wieder gesteigert wird. Marketing kann allerdings genauso dazu beitragen, dass gewisse Käufe und Verkäufe nicht stattfinden. Nur ein purer Verfechter des quantitativen Wachstums kann überhaupt anzweifeln, dass es Geschäfte gibt, welche besser nicht zustande gekommen wären.
Wer es einmal erlebt hat, vergisst es nie wieder: Die Faszination, welche ein gutes, stimmiges, konzeptionelles Marketing auch gegen innen auslöst. Plötzlich fangen alle an, am gleichen Strick in die gleiche Richtung zu ziehen. Mitarbeiter, bei denen man die Hoffnung auf ein Mitdenken schon längst aufgegeben hatte, haben plötzlich die richtigen Ideen und setzen sich für die Firma ein. Ein enormer Schneeball-Effekt zugunsten der gesamten Unternehmung kann durch das richtige Marketing entstehen.
... auf den richtigen Leuten.
Selbst Künstler arbeiten heute in Teams. Natürlich braucht es den Marketing-Leiter, welcher die Haupt-Führung übernimmt. Er ist top-aus- und weitergebildet, effizient und beharrlich, hat seine Antennen weit ausgespannt und verwertet die Signale des Marktes und der Unternehmung mit dem notwendigen Gespür und dem passenden Stil. Doch der Einzelne zählt heute immer weniger. Was zählt, sind die Teams, welche mit Sportsgeist optimal zusammenarbeiten. Die Geschwindigkeit, und diese ist im Marketing sehr wichtig, kann so bei erhöhter Sicherheit beibehalten werden. Denn damit man im Markt die Nase vorne behält, muss man auch schnell sein. Und bei komplexeren Aufgaben ist man das nur im Team. Wenn sich also jemand vornimmt, die Marketing-Funktion einer Unternehmung zu übernehmen, so muss er sich darauf einstellen, dass er damit nicht nur Marketing-Aufgaben, sondern auch Team-Führung und -Coaching übernehmen muss. Kann er das, so ist zusammen mit der Konzentration auf die USP, der sauberen Datenbasis und der gekonnten Umsetzung die Basis für ein erfolgreiches Marketing gelegt.
BASE-Marketing Dr. oec. HSG Luzi Rageth, Birmensdorferstrasse 470, 8055 Zürich Home |